Das Problem mit der Inhaltsangabe einzelner Gedichte
Immer wieder hört und liest man, dass Schüler zu Gedichten eine Inhaltsangabe schreiben sollen.
Das ist bestimmt sinnvoll und auch leicht machbar bei Balladen. Denn das sind ja eigentlich Erzählungen eines dramatischen Ereignisses in Gedichtform.
Nun aber zum Problem: Wie soll man eine Inhaltsangabe zu einem Gedicht schreiben, wenn dort nur einfach Gedanken geäußert und vielleicht noch etwas beschrieben wird.
Am besten schaut man sich das mal bei einem Beispiel an. Wir haben dieses Gedicht schon mal an anderer Stelle interpretiert
https://wvm.schnell-durchblicken3.de/morgenstern-christian-berlin/
Wenn man sich die Seite anschaut, sieht man am Ende noch besser, was der Unterschied sein könnte.
Das Video zum Thema
Beispiel: Christian Morgenstern, „Berlin“
Wir orientieren uns an der Grundidee einer Inhaltsangabe. Dort soll man nämlich einem anderen, der den Text nicht kennt, einen Überblick über die wichtigsten Inhalte geben. Dazu gehört natürlich auch, dass man etwas zu dem Text selbst sagt, soweit das bei einem Gedicht möglich ist.
Christian Morgenstern
Berlin
01 Ich liebe dich bei Nebel und bei Nacht,
02 wenn deine Linien ineinander schwimmen, –
03 zumal bei Nacht, wenn deine Fenster glimmen
04 und Menschheit dein Gestein lebendig macht.
05 Was wüst am Tag, wird rätselvoll im Dunkel;
06 wie Seelenburgen stehn sie mystisch da,
07 die Häuserreihn, mit ihrem Lichtgefunkel;
08 und Einheit ahnt, wer sonst nur Vielheit sah.
09 Der letzte Glanz erlischt in blinden Scheiben;
10 in seine Schachteln liegt ein Spiel geräumt;
11 gebändigt ruht ein ungestümes Treiben,
12 und heilig wird, was so voll Schicksal träumt.
Versuch einer Inhaltsangabe:
- Das Gedicht ist 1906 entstanden.
- Präsentiert wird eine Art Liebeserklärung an Berlin, wobei vor allem der Übergang zur Nacht hervorgehoben wird.
- Der eher als wüst empfundene Tag erscheint dann für das Lyrische Ich mystisch. Hervorgehoben wird, dass die Menschheit dann eher wieder zu einer Einheit wird.
- Von besonderer Bedeutung scheint der Übergang zur Nacht zu sein, die als ein Ort verstanden wird, indem alles gebändigt erscheint, was dem Lyrischen Ich sogar heilig vorkommt.
Wichtig im Unterschied zu einer Interpretation ist, dass man sich hier wirklich auf den deutlich erkennbaren Inhalt konzentriert, d.h. es geht mehr um Themen und Aussagen dazu als um Figuren und Handlungen.
Vorschlag: Was gehört in eine Gedicht-Inhaltsangabe
Letztlich könnte man sagen, dass der Inhalt eines Gedichtes aus zwei Elementen besteht:
- Den Themen, die angesprochen werden.
- Und die Aussagen, die dazu gemacht werden oder beim Leser als Eindruck entstehen.
Letztlich ist das wie bei der „Inhaltsangabe“ zu einer Diskussion. Auch da macht es keinen Sinn, nacheinander wiederzugeben, was wer gesagt hat. Sondern es wird zusammengefasst, zu um welche Fragen es ging und was dabei deutlich geworden ist oder herausgekommen ist.
Die Inhaltsangabe bei der thematischen Kurz-Vorstellung von Gedichten
Im Video zeigen wir dann noch an drei Gedichten von Eichendorff, wie man dort durchaus sinnvoll mit Inhaltsangaben arbeiten kann – aber die ersetzen eben auch nicht irgendwie und vor allem schlecht eine Interpretation. Ihre Aufgabe ist es, kurz Gedichte unter einem bestimmten Aspekt vorzustellen.
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