Grundlagen eines Vergleichs von Drama und Roman: „Nathan der Weise“

Was man wissen sollte, wenn man ein Drama mit einem Roman vergleicht

  • Wenn man ein Drama aus einer früheren Zeit mit einer aktuellen Roman-Variante vergleichen will, dann gibt es drei Aspekte, die man berücksichtigen sollte.
    • Da ist zum einen natürlich die veränderte Gattung.
    • Ein Drama ist dafür da, von Schauspielern auf der Bühne gespielt zu werden.
    • Dabei spielt zum einen die Kulisse und Ähnliches eine Rolle, was mit den Interpretationsabsichten des Regisseurs zusammenhängt.
    • Außerdem wird der Sprechtext durch die Schauspieler auch auf eine ganz eigene Weise einschließlich Körpersprache umgesetzt und damit auch interpretiert.
    • D.h.: Zwischen dem Text des Dramas einschließlich der Regieanweisungen und den Zuschauern schiebt sich die Ebene des jeweiligen Regisseurs, der eigene Akzente setzt.
    • Natürlich kann ein Drama auch gelesen werden und das ist in der Schule der Normalfall, aber auch dann gilt, dass vieles der Fantasie des Lesers überlassen bleibt, weil die Regiebemerkungen in der Regel knapp ausfallen.
  • Neben diesen Präsentationsaspekten gibt es natürlich auch einige inhaltliche Besonderheiten von Dramen.
    • In der Regel geht es um einen Konflikt, der dann dramaturgisch entwickelt wird.
    • Am einfachsten kann man das an dem berühmten Fünf-Akte-Schema des klassischen damals klarmachen.
  • Zu den Besonderheiten des Dramas gehört auch, dass nicht alles auf dem Bühne gezeigt werden kann.
    • Dementsprechend hat man schon früher Tricks eingebaut wie den Botenbericht oder die Mauerschau.
    • Ein Roman hat diese Probleme nicht. Dort kann im Prinzip alles präsentiert werden, was zur Welt gehört.
  • Dieser Weite steht aber auch eine ganz besondere Engführung gegenüber,
    • nämlich die, die sich durch die Perspektive und die Haltung des Erzählers ergibt. Alles wird eben aus dem Blickwinkel des Erzählers präsentiert, außerdem auch durch seine besondere Brille gesehen. Wenn er etwas kritisch sieht, dann wird diese Haltung auch bestimmen, welche Elemente er präsentiert und wie er sie präsentiert.
    • Man kann es ganz brutal formulieren: Ein Roman ist ein riesiger Monolog einer einzelnen Person beziehungsweise Figur.
    • Dem kann sich der Leser nur beugen oder mit eigenen Ideen entgegenstellen.
  • Wenn der Roman sich auf ein Drama aus einer früheren Epoche bezieht,
    • kommen neben den ganzen spezifischen Unterschieden noch kulturhistorische hinzu.
    • In der Zeit der Aufklärung lebt man in anderen Kontexten und nun die Wirklichkeit anders war, etwa im Sinne der Aufklärung oder auch im Sinne der Gegenseite.
  • Schließlich werden literarische Werke immer auch von Menschen geschrieben
    • und so spricht einiges dafür, dass Lessing auch als Person eine ganz eigene Perspektive und Haltung hatte, die sich mehr oder weniger stark von dir Mirjam Presslersunterscheiden kann.
  • Ausblick auf die Gattung Film:
    • Ein interessantes Gedankenspiel könnte es sein, den Nathanstoff, wie ihn Lessing gestaltet und Pressler abgewandelt hat, in das Medium Film zu überführen.
    • Dabei wird dann deutlich werden, dass es dort in der Regel auch keinen Erzähler gibt, sondern alles ebenfalls auf einer Bühne präsentiert wird, nur dass es sich dabei um eine Leinwand handelt, die sehr viel mehr Möglichkeiten bietet als eine normale Theaterbühne.