Zydek, Ute, „Eine Heimat nicht gefunden“

Aus urheberrechtlichen Gründen können wir das Gedicht hier nicht abdrucken, wir gehen davon aus, dass es vorliegt.

  1. Das Gedicht präsentiert gleich zu Beginn eine Situation, in der jemand seit langer Zeit auf der Flucht ist. Wir erfahren nichts Näheres darüber, wovor geflohen wurde.
  2. Entscheidend ist, dass der Betreffende nach dem Verlassen der Heimat keine neue gefunden hat.
  3. Die nächsten drei Zeilen heben dann die schmerzhafte Erfahrung hervor, dass das Nicht-Finden einer neuen Heimat vor allem damit zusammen hängt, dass man nirgendwo aufgenommen wurde.
  4. Das wird in einer Weise präsentiert, dass man an Not denkt und Hartherzigkeit.
  5. Die nächsten drei Zeilen sollen dann deutlich machen, dass es diesem lyrischen Ich gegangen ist wie einem Hund, der aus irgendeinem Grunde alleingelassen worden ist und ab dann nur noch schauen kann, wie er irgendwo überlebt, und dabei dabei sicherlich in ständiger Gefahr ist, von Steinen getroffen zu werden oder sonst wie in Gefahr zu geraten.
  6. Dabei hat es  durchaus auch mal so etwas wie Gemeinschaft gegeben, aber keine echte, sondern nur eine eben, wo man sich kurze Zeit sich jemandem anschließt.
  7. Dann das Fazit, dass zwei wesentliche Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben fehlen, nämlich Nahrung und Wärme.
  8. Der Schluss scheint dann etwas positiver zu werden, wenn gesagt wird, dass dieser Flüchtling zumindest hin und wieder in einer Herberge kurzzeitig rasten konnte, bevor es dann mit dem „Streunen“ weiterging.
  9. Immerhin hat das lyrische ich in diesen Herbergen, als kleinen Oasen der Menschlichkeit, etwas zu essen bekommen und auch ganz allgemein eine Reaktion, die als „Gnade“ empfunden wird.
  10. Am Ende bleibt die traurige Erfahrung, dass man eine Heimat verloren und keine neue gefunden hat.

Insgesamt ein Gedicht, dass wichtige Befindlichkeiten und Erfahrungen von Menschen auf der Flucht gut anspricht.

Die Frage ist, ob das Gedicht nicht insgesamt zu allgemein bleibt. Es bleiben sehr viele Fragen offen, zum Beispiel wovor geflohen worden ist, warum die Menschen sich nicht mehr um den Flüchtling gekümmert haben, was der Flüchtling auch selbst getan hat, um eine Heimat zu finden.

Wenn es die Stelle mit der Herberge nicht gäbe, könnte man dem Gedicht vorwerfen, dass es sehr pauschal und einseitig ist, zum Beispiel in keiner Weise auf die Menschen eingeht, die sich tatsächlich um Flüchtlinge gekümmert haben und dabei vielleicht nicht genügend Unterstützung bekommen haben.

Aber ein Denkanstoß, sich mit dem Leben von Menschen in Fluchtsituationen zu beschäftigen, enthält das Gedicht allemal.

Weiterführende Hinweise

  • Weitere Beispiele für erfolgreiches Verstehen von Gedichten finden sich hier.
  • Weitere Beispiel für Gedichte zum Thema „Reisen“, „Unterwegssein“ oder auch „Fremdsein“: hier
  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
  • Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.

Eichendorff, „Rückkehr“ – ein scheinbar einfaches Gedicht mit vielen offenen Fragen

Ein äußerst interessantes Gedicht von Eichendorff präsentiert sich so:

Joseph von Eichendorff

Rückkehr

01 Mit meinem Saitenspiele,
02 Das schön geklungen hat,
03 Komm ich durch Länder viele
04 Zurück in diese Stadt.

05 Ich ziehe durch die Gassen,
06 So finster ist die Nacht,
07 Und alles so verlassen,
08 Hatt’s anders mir gedacht.

09 Am Brunnen steh ich lange,
10 Der rauscht fort, wie vorher,
11 Kommt mancher wohl gegangen,
12 Es kennt mich keiner mehr.

13 Da hört ich geigen, pfeifen,
14 Die Fenster glänzten weit,
15 Dazwischen drehn und schleifen
16 Viel fremde, fröhliche Leut.

17 Und Herz und Sinne mir brannten,
18 Mich trieb’s in die weite Welt,
19 Es spielten die Musikanten,
20 Da fiel ich hin im Feld.

Was ist ziemlich klar?

  1. Es geht um eine Rückkehr nach Hause, die in der Romantik meistens positiv gesehen wird.
  2. In der ersten Strophe ist auch noch alles sehr harmonisch.
  3. In der zweiten wird es „finster“ – und alles endet in einer großen Enttäuschung.
  4. Die zeigt sich dann ganz extrem am romantischen Ort des Brunnens, bei dem es aber nicht mehr romantisch-vertraut für das Lyrische Ich zugeht.
  5. In der vierten Strophe gibt es dann wieder Schönes, aber nicht für das Lyrische Ich.
  6. Wenn man aufmerksam liest, merkt man übrigens, dass das Lyrische Ich alles von den anderen Menschen erwartet, nicht selbst auf sie zugeht.
  7. Am Ende will das Lyrische Ich nur noch weg.
  8. Dort findet es aber auch nicht mehr die alten Verhältnisse wieder: Jetzt machen andere die Musik.
  9. Dementsprechend bleibt nur noch der Ausweg des Todes.
  10. Die beiden letzten Punkte werden übrigens durch die Rhythmusstörung in den Zeilen 17-19 unterstützt – erst in Zeile 20 kehrt wieder die alte Ruhe des dreihebigen Jambus ein – aber eben im Tod.

Offene Fragen

  1. Offen ist vor allem die Frage, warum das Lyrische Ich zu Hause nicht mehr ankommt.
  2. War es zu lange weg?
  3. Oder macht es nur den Fehler, nicht auf die Leute zuzugehen?
  4. Kann es das vielleicht gar nicht mehr?
  5. Hätte es zwischendurch Kontakt halten sollen?
  6. Ist das das Schicksal eines Künstlers?
  7. Ist das Lyrische Ich vielleicht auch einfach nur ein Opfer der Zeit und damit seines Alters geworden?
  8. Zeigt Eichendorff hier nicht eine Grundproblematik des modernen Menschen? Denn im Gegensatz zu vielen anderen Gedichten von ihm gibt es für dieses Lyrische Ich keine himmlische Heimat mehr, die auf jeden Fall bleibt.

Video zum Gedicht

Zu diesem Gedicht gibt es übrigens ein Video, das unter der folgenden Adresse abrufbar ist:

Die Video-Dokumentation ist auf der folgenden Seite zu finden:
https://www.schnell-durchblicken2.de/eichendorff-rueckkehr