Eichendorff, „Rückkehr“ – ein scheinbar einfaches Gedicht mit vielen offenen Fragen

Ein äußerst interessantes Gedicht von Eichendorff präsentiert sich so:

Joseph von Eichendorff

Rückkehr

01 Mit meinem Saitenspiele,
02 Das schön geklungen hat,
03 Komm ich durch Länder viele
04 Zurück in diese Stadt.

05 Ich ziehe durch die Gassen,
06 So finster ist die Nacht,
07 Und alles so verlassen,
08 Hatt’s anders mir gedacht.

09 Am Brunnen steh ich lange,
10 Der rauscht fort, wie vorher,
11 Kommt mancher wohl gegangen,
12 Es kennt mich keiner mehr.

13 Da hört ich geigen, pfeifen,
14 Die Fenster glänzten weit,
15 Dazwischen drehn und schleifen
16 Viel fremde, fröhliche Leut.

17 Und Herz und Sinne mir brannten,
18 Mich trieb’s in die weite Welt,
19 Es spielten die Musikanten,
20 Da fiel ich hin im Feld.

Was ist ziemlich klar?

  1. Es geht um eine Rückkehr nach Hause, die in der Romantik meistens positiv gesehen wird.
  2. In der ersten Strophe ist auch noch alles sehr harmonisch.
  3. In der zweiten wird es „finster“ – und alles endet in einer großen Enttäuschung.
  4. Die zeigt sich dann ganz extrem am romantischen Ort des Brunnens, bei dem es aber nicht mehr romantisch-vertraut für das Lyrische Ich zugeht.
  5. In der vierten Strophe gibt es dann wieder Schönes, aber nicht für das Lyrische Ich.
  6. Wenn man aufmerksam liest, merkt man übrigens, dass das Lyrische Ich alles von den anderen Menschen erwartet, nicht selbst auf sie zugeht.
  7. Am Ende will das Lyrische Ich nur noch weg.
  8. Dort findet es aber auch nicht mehr die alten Verhältnisse wieder: Jetzt machen andere die Musik.
  9. Dementsprechend bleibt nur noch der Ausweg des Todes.
  10. Die beiden letzten Punkte werden übrigens durch die Rhythmusstörung in den Zeilen 17-19 unterstützt – erst in Zeile 20 kehrt wieder die alte Ruhe des dreihebigen Jambus ein – aber eben im Tod.

Offene Fragen

  1. Offen ist vor allem die Frage, warum das Lyrische Ich zu Hause nicht mehr ankommt.
  2. War es zu lange weg?
  3. Oder macht es nur den Fehler, nicht auf die Leute zuzugehen?
  4. Kann es das vielleicht gar nicht mehr?
  5. Hätte es zwischendurch Kontakt halten sollen?
  6. Ist das das Schicksal eines Künstlers?
  7. Ist das Lyrische Ich vielleicht auch einfach nur ein Opfer der Zeit und damit seines Alters geworden?
  8. Zeigt Eichendorff hier nicht eine Grundproblematik des modernen Menschen? Denn im Gegensatz zu vielen anderen Gedichten von ihm gibt es für dieses Lyrische Ich keine himmlische Heimat mehr, die auf jeden Fall bleibt.

Video zum Gedicht

Zu diesem Gedicht gibt es übrigens ein Video, das unter der folgenden Adresse abrufbar ist:

Die Video-Dokumentation ist auf der folgenden Seite zu finden:
https://www.schnell-durchblicken2.de/eichendorff-rueckkehr