Beispiel für „taktische“ und „strategische“ künstlerische Mittel

Was man bei künstlerischen Mitteln unterscheiden sollte

Bei den künstlerischen Mitteln sollte man nicht nur sprachliche und rhetorische, sondern auch taktische und strategische unterscheiden.

  • Taktische Mittel sind solche, die erst mal an Ort und Stelle eine Funktion haben.
  • Strategische Mittel sind solche, die in besonderer Weise die Gesamt-Aussage des Textes unterstützen.
    Taktische Mittel werden natürlich, wenn sie sich häufen, auch zu einem strategischen Mittel.

Auf der folgenden Seite
http://subfraut.blogspot.com/2009/06/herbert-hufnagl-reloaded.html
gibt es einen schönen Text, an dem man zeigen kann, dass „künstlerische Mittel“ mehr sind als die Aufzählung von irgendwelchen sprachlichen Besonderheiten.

Aus urheberrechtlichen Gründen zeigen wir nur auf, wie der Text aufgebaut ist. Außerdem verweisen wir auf einzelne Mittel und schauen dann mal, wie sie insgesamt die Aussage unterstützen.

Inhaltlicher Aufbau und „taktische“ Mittel

  1. Teil 1: allgemeine Hinweise zu einer besonderen Art von Spezialisten, nämlich den Fahrkartenkontrolleuren
    1. Hinweis auf eine „Zeit des Spezialistentums“
    2. und Annahme, dass deshalb Fahrscheinkontrolleure auch nur Menschen „mit größter Menschenkenntnis“ eingesetzt werden.
      KM: das ist ein Element, das später noch ironisch ausgebaut wird.
    3. Als Ziel wird hervorgehoben, „dass sie Gratisblitzer und andere Schlawiner auf den ersten Blick aussondern“ können“.
      KM: „aussondern“ ist ein sehr negativ besetzter Begriff.
    4. Weitere Annahme spezieller Ausbildungskurse
    5. bei denen das Thema Ausländer „besonders heikel sein dürfte“
    6. wegen der Sprachprobleme
    7. Annahme, dass es trotz dieser Ausbildung „zu kleinen Irrtümern“ kommen könne
      KM: Vorverweis auf die spätere Geschichte
    8. Eingebaut ist die Kombination von „entlarvt“ als Ziel der Kontrolle mit dem „vertrauten ‚du'“ als Anrede.
      KM: Hier werden Dinge miteinander verbunden, die nicht zusammengehören, typisch für eine Satire.
    9. Angeblich alles klar ist aber für diesen Text „bei Menschen mit anderer Hautfarbe“. Diese werden also hier als besondere Gruppe verstanden.
      KM: Unterschwellig wird hier schon das Ende satirisch vorweggenommen, denn dort zeigt sich ja zum einen, dass bei denen überhaupt nicht alles klar ist (wie übrigens bei jedem anderen Menschen auch), sondern dass die auch längst keine Ausländer mehr sein können.
  2. Ein spezieller Fall:
    1. Geschildert wird eine besondere Situation in einer S-Bahn in Österreich,
    2. in der eine angebliche Gewohnheit in Wien, nämlich Schwarze angeblich „liebevoll“ als „Nega“ zu bezeichnen von einem Kontrolleur etwas abgewandelt wird, indem er einen entsprechenden Fahrgast als „Bimbo“ anredet und zugleich noch duzt, das alles im entsprechenden Dialekt.
      KM: Hier werden Vorurteile als ganz selbstverständlich vorhanden präsentiert.
      KM: Verwendet wird dabei ein Begriff, der im Umgang mit Menschen mit schwarzer Hautfarbe als diskriminierend bzw. rassistisch eingeschätzt wird.
      KM: Außerdem wird noch eine andere Bezeichnung, nämlich „Bimbo“ mit einbezogen.
      KM: Zu all dem wird auch noch Dialekt verwendet, was die Wirkung hat, die lokale Kultur hervorzuheben – in Richtung provinziell und rassistisch. Beides erscheint dem Leser als verbunden.
  3. Anschließend gibt es eine Verzögerung der weiteren inhaltlichen Präsentation, indem der Erzähler zunächst noch auf eine angemessene Anrede zu sprechen kommt.
  4. Die wird verbunden mit einer scheinbaren Verteidigung des Kontrolleurs, die in der Annahme besteht, dass ein Schwarzer solch eine normale und angemessene Ansprache gar nicht verstehen würde.
    KM: Das ist natürlich Ironie pur – denn ein Schwarzer, der sich neu in Österreich zu Recht finden muss und will, lernt sicher erst einmal die Normalsprache und nicht gleich einen speziellen Dialekt, der selbst einem ungeübten Leser ein bisschen Probleme macht.
  5. Es folgt eine doppeldeutige Bemerkung des Erzählers, dass der Schwarze die falsche Anrede sofort verstanden habe.
    KM: Doppeldeutigkeit – er hat es inhaltlich verstanden, aber auch die Beleidigung.
  6. Kern der Geschichte ist die Antwort des Schwarzen, die auch in einem einfachen Deutsch gehalten ist und der deutlich wird, dass es sich nicht nur um den Besitzer einer Jahreskarte handelt, sondern auch noch um einen Rechtsanwalt, der jetzt zum Gegenangriff ausholt: Name, Nummer, Klage wegen Beleidigung.
  7. Am Ende Rückgriff des Erzählers auf den Anfangsteil. Hinweis, so etwas sei wohl nicht geübt worden – und dann
    KM: die allgemeine Lebensweisheit: „Das Leben ist eben voller Überraschungen.“

Aussagen des Textes (Intentionalität) und strategische Mittel

Wir versuchen jetzt mal die Aussagen, also die Ziele des Textes, mit den Mitteln zu verbinden:

  1. Ziel 1: Es sollen Vorurteile entlarvt werden.
    • KM: Satirischer Gegensatz zwischen den Zielen der Ausbildung und der Realität
    • KM: Der Kontrolleur steht stellvertretend für lokale Besonderheiten in Sprache (Dialekt), Umgang mit einander (scheinbare Vertraulichkeit, Du) und Einstellung gegenüber Fremden (rassistische Elemente)
    • KM: Gegensatz zwischen der Realität bei dem Schwarzen
      (gute Ausbildung, fähiger Anwalt, Schlagfertigkeit, kommunikative Fähigkeiten, übernimmt den Sprachstil, der ihm unterstellt wird)
      und den Annahmen des Kontrolleurs
  2. Ziel: Kritik an der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung, die immer mehr Spezialisten schafft, was aber einen realen Verlust an Menschenkenntnis mit sich bringt (letztlich Allgemeinbildung, man könnte auch sagen Herzensbildung).
    • Satirischer Kontrast zwischen dem angeblichen Ziel der Ausbildung und der Realität
    • Allgemeine Lebensweisheit am Schluss, die deutlich macht, dass in der Richtung ausbildet werden sollte, statt sich nur aus Spezialistenwissen zu verlassen.

Weiterführende Hinweise

Zu diesem Thema gibt es auch ein Video:
Videolink

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