„Judenbuche“ – Schlussteil

Der Schluss-Teil der Novelle „Die Judenbuche“

Im Schlussteil der Novelle wird es noch mal richtig spannend.

Hier kann man sich das Folgende schon mal „auf die Ohren legen“ und sich direkt Notizen in der eigenen Textausgabe machen:

Der große Zeitsprung von 28 Jahren

Nach entscheidenden Ereignis, nämlich dem Tod des Juden, an dem Friedrich zunächst die Schuld zu haben scheint, er dann aber durch den Gutsherrn doch erstaunlich weitgehend entlastet wird, macht die Novelle einen großen Zeitsprung über 28 Jahre hin weg.

Trickstelle 1: Die Identität des Ankömmlings

Dann kommt wieder Bewegung in die alte Geschichte, weil ein alter, vom Schicksal schwer gezeichneter Mann in das Dorf kommt, den alle für Friedrichs Gehilfen Johannes halten, was dieser auch zu bestätigen scheint.

In der Novelle wird es ziemlich geschickt so formuliert:

S. 49: „Der Heimgekehrte ward als Johannes Niemand erkannt, und er selbst bestätigte, daß er derselbe sei, der einst mit Friedrich Mergel entflohen.“

Trickstelle Nr. 2: Frage nach Friedrich

Und nachdem der Ankömmling von seinen Abenteuern im Krieg und in türkischer Gefangenschaft bzw. Sklaverei berichtet hat, setzt er ein zweites Zeichen, was seine Identität angeht:

S. 50: „Und was ist aus Mergel geworden? Ihr seid doch zusammen fortgelaufen?“ – „Freilich wohl; aber ich weiß nicht, wo er ist, wir sind voneinander gekommen. Wenn Ihr an ihn denkt, betet für ihn,“ fügte er hinzu, „er wird es wohl nötig haben.“

Trickstelle Nr. 3: Die Konfrontation mit der angeblichen Unschuld Friedrichs

Die nächste spannende Stelle ist dann, als der Ankömmling erfährt, dass mein Friedrich gar nicht mehr für schuldig hält:

S. 50: „Man fragte ihn, warum Friedrich sich denn aus dem Staube gemacht, da er den Juden doch nicht erschlagen? – „Nicht?“ sagte Johannes und horchte gespannt auf, als man ihm erzählte, was der Gutsherr geflissentlich verbreitet hatte, um den Fleck von Mergels Namen zu löschen. „Also ganz umsonst,“ sagte er nachdenkend, „ganz umsonst so viel ausgestanden!“

S. 54: Der Hinweis auf das Brederholz

S. 54: „Nach einiger Zeit blieb Johannes auf einem Botengange über Gebühr lange aus. Die gute Frau von S. war sehr besorgt um ihn und wollte schon Leute aussenden, als man ihn die Treppe heraufstelzen hörte. – „Du bist lange ausgeblieben, Johannes,“ sagte sie; „ich dachte schon, du hättest dich im Brederholz verirrt.“ – „Ich bin durch den Föhrengrund gegangen.“ – „Das ist ja ein weiter Umweg; warum gingst du nicht durchs Brederholz?“ – Er sah trübe zu ihr auf: „Die Leute sagten mir, der Wald sei gefällt, und jetzt seien so viele Kreuz- und Querwege darin, da fürchtete ich, nicht wieder hinauszukommen. Ich werde alt und du selig,“ fügte er langsam hinzu. – „Sahst du wohl,“ sagte Frau von S. nachher zu ihrem Manne, „wie wunderlich und quer er aus den Augen sah? Ich sage dir, Ernst, das nimmt noch ein schlimmes Ende.“

Hinweis: „Johannes“ hat Sachen von Friedrich

Einige Zeit später kommt Johannes nicht wieder nach Hause:

S. 56 „Der Baron war fast ebenso beängstigt wie sie. Seine Unruhe trieb ihn sogar nach Johannes‘ Wohnung, obwohl er sicher war, ihn dort nicht zu finden. Er ließ sich die Kammer des Verschollenen aufschließen. Da stand sein Bett noch ungemacht, wie er es verlassen hatte; dort hing sein guter Rock, den ihm die gnädige Frau aus dem alten Jagdkleide des Herrn hatte machen lassen; auf dem Tische ein Napf, sechs neue hölzerne Löffel und eine Schachtel. Der Gutsherr öffnete sie; fünf Groschen lagen darin, sauber in Papier gewickelt, und vier silberne Westenknöpfe; der Gutsherr betrachtete sie aufmerksam. „Ein Andenken von Mergel,“ murmelte er und trat hinaus, denn ihm ward ganz beengt in dem dumpfen, engen Kämmerchen.“

Selbstmord Friedrich Mergels

Vierzehn Tage später wird er vom Sohn des Oberförsters gefunden.

S. 57/58: „Hiebei sah Brandis, wie er so auf dem Rücken lag, in die Höhe, sprang dann mit einem Satze auf und wie besessen ins Gestrüpp hinein. Totenbleich kam er auf dem Schlosse an: in der Judenbuche hänge ein Mensch; er habe die Beine gerade über seinem Gesichte hängen sehen. – „Und du hast ihn nicht ab geschnitten, Esel?“ rief der Baron. – „Herr,“ keuchte Brandis, „wenn Ew. Gnaden dagewesen wären, so wüßten Sie wohl, daß der Mensch nicht mehr lebt. Ich glaubte anfangs, es seien die Pilze.“ Dennoch trieb der Gutsherr zur größten Eile und zog selbst mit hinaus.

Sie waren unter der Buche angelangt. „Ich sehe nichts,“ sagte Herr von S. – „Hierher müssen Sie treten, hierher, an diese Stelle!“ – Wirklich, dem war so: der Gutsherr erkannte seine eigenen abgetragenen Schuhe. – „Gott, es ist Johannes! – Setzt die Leiter an! – So – nun herunter! – Sacht, sacht! Laßt ihn nicht fallen! – Lieber Himmel, die Würmer sind schon daran! Macht dennoch die Schlinge auf und die Halsbinde.“ – Eine breite Narbe ward sichtbar; der Gutsherr fuhr zurück. – „Mein Gott!“ sagte er; er beugte sich wieder über die Leiche, betrachtete die Narbe mit großer Aufmerksamkeit und schwieg eine Weile in tiefer Erschütterung. Dann wandte er sich zu den Förstern: „Es ist nicht recht, daß der Unschuldige für den Schuldigen leide; sagt es nur allen Leuten: der da“ – er deutete auf den Toten – „war Friedrich Mergel.“ – Die Leiche ward auf dem Schindanger verscharrt.

Dies hat sich nach allen Hauptumständen wirklich so begeben im September des Jahrs 1788. – Die hebräische Schrift an dem Baume heißt:

S. 58: „Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.““


Fazit:

Hier wird deutlich, dass Friedrich letztlich doch Opfer seiner eigenen Tag geworden ist. Er hat sich an der Buche genauso aufgehängt wie der Mann, der einen Mann getötet hat, der auch Aaron hieß, aber wohl nicht war.

Die Novelle ist sehr geschickt aufgebaut im Schlussteil, so dass die Spannung der Ungewissheit sich erst am Ende auflöst und sich bis dahin auch erhält.

Interessant ist, dass das Wort „totenbleich“ nur zweimal in der Novelle vorkommt, einmal an dieser Stelle beim Sohn des Försters und dann auf S. 25, wo Friedrich totenbleich wird, bevor er den Vater des Försters in den Tod schickt. Man sieht, dass die Novelle auch diese erste Untat hier am Ende gewisserweise mit gesühnt sehen will.

Weiterführende Hinweise

  • Die Gesamtübersicht über unsere „Hördateien“ zur Judenbuche findet sich hier.
  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
  • Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.