Lust auf „Wilhelm Tell“: Fall 4: Man darf den Bogen nicht überspannen (Apfelschuss)

Wilhelm Tells Frau – deutlich vorausschauender als ihr Mann

  • Im dritten Akt kommt es dann zum großen Showdown zwischen Wilhelm Tell und den kaiserlichen Beamten (Vogt) Gessler.

Die Hör-Datei

Wer nicht so viel lesen möchte, kann sich das, was wir hier präsentieren, einfach „auf die Ohren legen“. Und wenn das für die Schule wichtig ist, kann man auch die angegebenen Stellen direkt in der eigenen Textausgabe markieren.

  • Interessant ist, dass Schiller eine Szene eingefügt hat, in der Tells Frau nicht nur ihren Mann warnt, soll ihn richtig ein bisschen psychologisch aufklärt.
  • Tell erzählt ihr nämlich, dass er vor einiger Zeit schon mal Stress mit dem Beamten hatte. Der hatte ihn vorher unmöglich behandelt. Und jetzt hätten sie sich plötzlich im Gebirge auf einem schmalen Pfad am Berg gegenüber gestanden und der Beamte habe eine wahnsinnige Angst vor Wilhelm Tell gehabt. Er hat wohl befürchtet, dass Tell die Gelegenheit nutzt, ihn entweder mit der Armbrust zu erschießen oder mit einem Fußtritt in den Abgrund zu befördern.
  • Wilhelm Tell hat das nicht getan, weil das gar nicht seine Art ist.
  • Er glaubt aber jetzt, dass dieser kaiserliche Beamte ihm jetzt dankbar wäre dafür, dass er nichts von ihm befürchten muss.
  • Da zeigt sich seine Frau aber sehr viel klüger sie sagt ihm nämlich:
    Gerade weil er vor dir gezittert hat, wird er jetzt eine Gelegenheit nutzen, wo er sich an dir rächen kann.
  • Wilhelm Tell reagiert nur damit, dass er sagt, er würde dem Vogt eben aus dem Weg gehen.

Der Eklat vor der Stange mit dem Hut

  • Es zeigt sich dann schnell, dass das nicht gut möglich ist. Wilhelm Tell geht nämlich mit seinem Sohn, der mitgenommen hat, direkt an dem Hut vorbei, den der Beamte hat aufstellen lassen.
  • Er will damit nämlich die Schweizer zwingen, ihn auch zu grüßen, wenn er gar nicht da ist.
  • Das ist natürlich eine absolute Herabwürdigung, wenn die vor einem Kleidungsstück sich verbeugen müssen.
  • Typisch für Till ist auch, dass er anscheinend nicht viel drüber nachdenkt, sondern nur zu seinem Sohn sagt: Komm, lass uns schnell vorbeigehen.
  • Daraus wird natürlich nichts, denn der Beamte hat zwei Soldaten hingestellt, die das ganze beobachten sollen. Sie verhaften dann auch den Till, es kommt zu einem kleinen Auflauf, die Soldaten fühlen sich bedroht und schreien um Hilfe.

Der Vogt erscheint und sieht die Chance der Rache

  • Und in diesem Moment erscheint jetzt der Vogt Gessler. Und man merkt schnell, dass jetzt genau das eintritt, was Tells Frau befürchtet hat. Der Vogt überlegt ein bisschen und dann kommt er auf den teuflischen Gedanken, Tells Kunst als Armbrustschütze mal demonstrieren zu lassen.
  • Dummerweise hat sein  Sohn auch kurz vorher noch erzählt, dass Tell auf große Entfernung einen Apfel durch schießen kann.
  • Das bringt den Vogt dann auf die Idee, diesen Apfel auf dem Kopf des Jungen zu platzieren und der Vater soll drauf schießen.
    Es beginnt mit der scheinheiligen Frage:

    „Ist das dein Knabe, Tell?
    TELL.
    Ja, lieber Herr.
    GESSLER.
    Hast du der Kinder mehr?
    TELL.
    Zwei Knaben, Herr.
    GESSLER.
    Und welcher ists, den du am meisten liebst?TELL.
    Herr, beide sind sie mir gleich liebe Kinder.
    GESSLER.
    Nun, Tell! weil du den Apfel triffst vom Baume
    Auf hundert Schritte, so wirst du deine Kunst
    Vor mir bewähren müssen – Nimm die Armbrust –
    Du hast sie gleich zur Hand – und mach dich fertig,
    Einen Apfel von des Knaben Kopf zu schießen –
    Doch will ich raten, ziele gut, daß du
    Den Apfel treffest auf den ersten Schuß,
    Denn fehlst du ihn, so ist dein Kopf verloren.“

  • Tell ist völlig verzweifelt und sagt schließlich:

    „Ich soll
    Mit meiner Armbrust auf das liebe Haupt
    Des eignen Kindes zielen – Eher sterb ich!“
    Und Gessler sogar noch mit einer Verschärfung:
    Du schießest oder stirbst mit deinem Knaben.“

    Hier wird also ein Kind mit in die Verantwortung genommen.

  • Alle Bitten bleiben umsonst – Tell ist während des Gesprächs sogar am Zittern.
  • Glücklicherweise wird Tell ein bisschen abgelenkt, weil der junge Rudenz das nicht mit ansehen möchte. Und während er sich mit dem Vogt auseinandersetzt, sehr mutig, schafft Tell tatsächlich den gefährlichen Schuss.

Nach dem erfolgreichen Schuss die zweite Gemeinheit des Vogts

  • Alle jubeln, doch der Vogt legt noch einmal nach, indem er fragt, was Tell denn mit dem zweiten Pfeil wollte, den er auch außer im Köcher genommen hat.
  • Und weil der Vogt zugesichert hat, dass es ihm nicht ans Leben gehen soll, sagt Tell ihm auch die Wahrheit:
    Er hätte mit diesem Pfeil den Vogt erschossen, wenn er mit dem ersten Pfeil seinen Sohn getroffen hätte.
  • Das nutzt jetzt der Vogt, um Tells Leben zwar zu schonen, ihn aber zu irgendeinem Kerker zu bringen, wo er ihn gewissermaßen verrotten lassen kann. Damit ist er dann keine Gefahr mehr für ihn.
  • Man kann verstehen, dass am Ende die umstehenden Schweizer verzweifelt sind, weil sie mit Tells Gefangennahme einen sehr wichtigen Mann für ihre Aufstandspläne verlieren.

Was hat das mit uns zu tun?

  • Die Apfelschuss-Szene ist ein Beispiel dafür, wie abgrundtief böse Menschen sein können, die Macht haben. Das muss kein Regierungsbeamter sein, es kann einfach ein Mensch sein, der stärker ist als der andere.
  • Und wenn dann niemand eingreift oder eingreifen kann wie hier, dann können Menschen die schlimmsten Dinge erleben.
  • Wir werden gleich im nächsten Fall sehen, dass der Vogt allerdings hier den Bogen überspannt hat, was ihn selbst das Leben kostet.