Heinrich Heine, „Der Asra“ – eine Ballade über eine unglückliche Liebe (Mat5441)

Worum es hier geht:

Das Gedicht „Der Asra“ von Heinrich Heine sieht auf den ersten Blick etwas unscheinbar aus, vielleicht sogar erscheint es fragmentarisch. Aber wenn man genauer hinschaut, hat der Inhalt durchaus auch noch etwas mit Menschen von heute zu tun.

Zu finden ist das Gedicht z.B. hier:
https://www.gedichte-lyrik-online.de/der-asra.html

Anmerkungen zum Titel und zu Strophe 1

 

Der Asra

  • Täglich ging die Wunderschöne
  • Sultanstochter auf und nieder
  • Um die Abendzeit am Springbrunn,
  • wo die weißen Wasser Plätschern. 
    • Der Titel sagt zunächst nicht viel aus. Man kann nur ahnen, dass es hier um einen Mann geht.
    • Die Ballade beginnt mit dem Hinweis darauf, dass die Tochter des Sultans abends im Garten spazierengeht.
    • Hervorgehoben wird ihre Schönheit, die für die Leute an ein Wunder grenzt.
    • Man kann davon ausgehen, dass das ein geschützter Raum ist, zu dem nicht jeder Zutritt hat.

Anmerkungen zu Strophe 2

 

  • Täglich stand der junge Sklave
  • Um die Abendzeit am Springbrunn,
  • wo die weißen Wasser plätschern;
  • täglich ward er bleich und bleicher. 
    • Die zweite Strophe ist parallel aufgebaut und hat auch einen ähnlichen Inhalt.
    • Nur ist es diesmal ein Sklave, der zur gleichen Zeit im Garten anwesend ist.
    • Hinzu kommt außerdem der Hinweis, dass er ständig bleicher wird. D.h.: Er hat ein tiefgreifendes Problem, vielleicht geht es sogar mit seine Gesundheit bergab.

 

Anmerkungen zu Strophe 3

  • Eines Abends trat die Fürstin
  • Auf ihn zu mit raschen Worten:
  • “ Deinen Namen will ich wissen,
  • deine Heimat, deine Sippschaft!“ 
    • In der dritten Strophe kommt es zur Begegnung der beiden Personen.
    • Die geht verständlicherweise von der Tochter des Sultans aus. Das entspricht ihrer sozialen Stellung.
    • Aus irgendeinem Grunde will die Frau den Namen des Sklaven wissen und etwas über seine Familie erfahren.
    • Das bedeutet auf jeden Fall, dass sie sich für ihn und sein Schicksal interessiert. Denn der Name und die Familie spielen im muslimischen Kulturbereich eine besonders große Rolle.

Anmerkungen zu Strophe 4

  • und der Sklave sprach: „Ich heiße
  • Mohamed, ich bin aus Yemen,
  • und mein Stamm sind jene Asra,
  • Welche sterben, wenn sie lieben.“ 
    • In der letzten Strophe nennt der Sklave seinen Namen und auch seine Familie.
    • Dann macht er mehrere Dinge:
      • Zum einen sagt er, dass es für seine Familie typisch sei, dass man sterbe, wenn man liebe.
      • Das wird nicht näher ausgeführt, aber kann als Erklärung verstanden werden, warum dieser Sklave immer bleicher wird.
      • Er scheint die Sultanstocher zu lieben, weiß aber zugleich, dass diese Gefühle keine Chance auf Verwirklichung in einer Beziehung haben.
      • Interessant, wie es Heine gelungen ist, hier den Sklaven etwas aussprechen zu lassen, was deutlicher nicht möglich wäre.

Auswertung der Ballade

 

  1. Insgesamt handelte es sich um eine Ballade, die sich auf ein ganz einfaches Grundmuster konzentriert.
    1. Es geht um einen Sklaven,
    2. Der sich offensichtlich in eine Frau verliebt hat,
    3. die weit über ihm steht
    4. und die nie erreichen kann.
  2. Durchaus ungewöhnlich für die Zeit und ihre Gepflogenheiten ist,
    1. dass die hochgestellte Frau nicht nur mitbekommt, wie es dem Sklaven geht. Sondern die tut auch etwas, was sicherlich selten vorgekommen ist.
    2. Sie spricht den Sklaven nämlich an und will etwas wissen, wodurch er gewissermaßen aus dem Sklavenstand herausgehoben wird und als vollwertiger Menschen anerkannt wird.
    3. Denn das bedeutet es eigentlich, einen Namen zu haben und einer anerkannten Familie anzugehören.
  3. Die Ballade endet da,
    1. wo es eigentlich spannend wird.
    2. Denn es bleibt offen, wie die Tochter des Sultans mit dieser Antwort und der Situation um geht.
    3. Damit hängt auch das Motiv zusammen, das sie den Sklaven hat ansprechen lassen.
  4. Wer sich ein bisschen auskennt in der orientalischen Kultur, der kann sich kaum vorstellen, dass es für diese Liebe wirklich eine Chance gibt.
  5. Das Leiden des Sklaven setzt sich auf jeden Fall fort.
  6. Es ist höchstens die Frage, wie die Tochter des Sultans mit der Situation umgeht.
    1. Sinnvoll könnte es sein, dass sie den Sklaven aus ihrer Nähe entfernen lässt, um zumindest ein mögliches gemeinsames Leiden zu verringern.
  7. Vor diesem Hintergrund könnte es reizvoll sein, eine entsprechende Anschlussstrophe zu schreiben
    1. Natürlich ist es im Bereich der Literatur auch erlaubt, diesen beiden Menschen eine gemeinsame Perspektive zu eröffnen.
    2. Zum Beispiel könnte es sein, dass die Sultanstochter sehr unglücklich ist in ihrer Situation. Sie könnte dann den Sklaven mit auf eine Reise nehmen, auf der ihnen gemeinsam die Flucht glücken könnte.
  8. Vielleicht könnte die Tochter aber auch so ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater haben, dass sie die Freilassung des Sklaven erreicht und diesem empfiehlt, seine Liebe auf eine andere Frau zu auszurichten.
  9. Damit ist man bei der interessanten Frage, ob Liebeslied auf diese Art und Weise gelindert oder gar behoben werden kann.
  10. Denn es muss sich ja nicht um die Beziehung zwischen einer Sultanstochter und einem Sklaven handeln.
    1. Auch heute noch gibt es Verhältnisse, die mit dem Umfeld nicht zusammenpassen. Es gibt ja zumindest in Liebesfilmen Beziehungen zwischen einer Firmenerbin und einem einfachen Angestellten. Es ist dann nicht selbstverständlich, dass die reiche Familie die Beziehung einfach toleriert oder sogar akzeptiert. Es kann auch sein, dass der einfache Angestellte sich in der Gesellschaft der jungen Frau gar nicht wohlfühlt.
    2. Man kann aber auch einfach von der viel häufigeren Situation ausgehen, dass die Liebe einseitig ist. Dann ist tatsächlich die Frage, ob unsere Lösung: „Such dir eine andere!“ das Leiden verringern und vielleicht sogar ein viel größeres Glück an anderer Stelle ermöglichen kann.

Weitere Infos, Tipps und Materialien