Umgang mit Gedichten

Wir stellen hier Infos und Beispiele zusammen, die zeigen, wie man mit Gedichten umgehen kann.

Von der Analyse und Interpretation bis zum kreativen Weiterschreiben

Zur Zeit gibt es bereits:

  1. Thema und Deutungshypothese zu einem Gedicht ermitteln
    https://wvm.schnell-durchblicken3.de/gedichtanalyse-thema-deutungshypothese-unterschied/
  2. Anke Maggauer-Kirsche, „Abend in den Gassen“ – Beurteilung von Gedichten
    https://wvm.schnell-durchblicken3.de/anke-maggauer-kirsche-abend-in-den-gassen-beurteilung/
  3. Was ist eigentlich das Besondere an Gedichten?
    https://wvm.schnell-durchblicken3.de/was-ist-eigentlich-das-besondere-an-gedichten/
  4. Welche Reime gibt es in einem Gedicht?
    https://wvm.schnell-durchblicken3.de/gedicht-reim-arten/
  5. Kann der Reim was mit dem Inhalt des Gedichtes zu tun haben?
    https://wvm.schnell-durchblicken3.de/reim-bedeutung-inhalt/
  6. Schwierige Stellen in Gedichten verstehen
    https://wvm.schnell-durchblicken3.de/schwierige-stellen-in-gedichten-verstehen/
  7. Inhaltsangabe von Gedichten? Wie kann die aussehen?
    https://wvm.schnell-durchblicken3.de/inhaltsangabe-von-gedichten/

Was ist eigentlich das Besondere an Gedichten?

Schule ist eine wichtige Sache. Aber häufig ist es so, dass man Wissen nach einer Klausur oder Prüfung schnell wieder vergisst. Vieles hat man auch nur auswendig gelernt und gar nicht wirklich begriffen. Und mit dem „Machen“ ist es auch so eine Sache. Meistens ist man als Schüler mit dem Analysieren beschäftigt – dabei begreift man manches doch eigentlich erst, wenn man es ausprobiert. Auf jeden Fall wollen wir uns auf die Kombination dieser drei Dinge konzentrieren und stellen hier einfach alles rein, was sich als Hilfe eignen kann. Also dann – wir legen einfach mal los. Was wir schon haben, stellen wir hier am Anfang der Übersichtlichkeit willen erst mal per Link rein – ansonsten sind die Dinge über das Menü erreichbar. Bisher haben wir:  

Welche Reime gibt es in einem Gedicht?

Rückblick:

Wir haben eben festgestellt, dass es bei einem Gedicht reicht, wenn einfach nur die Zeilen vor dem Ende des rechten Schreibrandes umgebrochen werden.

Außerdem hatten wir schon angedeutet, dass Gedichte in der Regel sehr komprimierte Texte sind.

Zusätzlich sind Gedichte besonders „gestaltet“:

Jetzt kommt noch hinzu, dass sie auch häufig künstlerisch besonders gestaltet werden.

Dazu gehört einmal der Reim:

Was versteht man überhaupt unter „Reim“

Darunter versteht man den Gleichklang von Verszeilen ab der letzten betonten Silbe: Also zum Beispiel: Wir sind hinabgesprungen Es ist uns auch gelungen. Hier geht es um die beiden vorletzten Silben, die betont werden. Und „sprungen“ und „lungen“ gilt als gleichklingend.

Variante 1: Der Paarreim

Weil sich die Zeilen hier paarweise reimen, spricht man von „Parreim“. @@@ Und draußen erst die Sonne Das Herz zerspringt vor Sonne. Der Bauer wünscht sich Regen, Denn der bringt ihm viel Segen. @@@

Variante 2: Kreuzreim

Ebenso kann es sein, dass sie sich kreuzweise reimen: @@@ Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. @@@ Hier reimt sich eben „Felder“ auf „Wälder“ und „sacht“ auf „Nacht“.

Variante 3: Umarmender Reim

Dann gibt es noch den sogenannten „umarmenden Reim“, bei dem ein Paarreim in der Mitte von zwei Versen eingerahmt wird, die sich wiederum reimen. @@@ Wenn der Schnee ans Fenster fällt, Land die Abendglocke läutet, Vielen ist der Tisch bereitet Und das Haus ist wohlbestellt. @@@ Hier fällt auf, dass „läutet“ und „bereitet“ sich nicht optimal reimen, aber das ist als „unreiner“ Reim auch noch im Rahmen.

Besondere Reimvarianten in Gedichten, bsd. das Sonett

Es gibt auch Gedichtvarianten, bei denen die Reime nicht komplett so einfach in diesen Schemata beschrieben werden kann. Das ist vor allem beim sogenannten Sonett der Fall, da gibt es nämlich zwei Vierzeiler und zwei Dreizeiler – und da muss man sich zur Beschreibung was anderes einfallen lassen.

Man „nummeriert“ die Verszeilen, die ähnlich sind, dann einfach in der Reihenfolge des Alphabets durch:

Zum Beispiel- vorne haben wir immer die Reimvariante eingetragen. @@@ Georg Heym Die Stadt a: Sehr weit ist diese Nacht. Und Wolkenschein b: Zerreißet vor des Mondes Untergang. b: Und tausend Fenster stehn die Nacht entlang a: Und blinzeln mit den Lidern, rot und klein. c: Wie Aderwerk gehn Straßen durch die Stadt, a: Unzählig Menschen schwemmen aus und ein. a: Und ewig stumpfer Ton von stumpfem Sein c: Eintönig kommt heraus in Stille matt. d: Gebären, Tod, gewirktes Einerlei, d: Lallen der Wehen, langer Sterbeschrei, d: Im blinden Wechsel geht es dumpf vorbei. e: Und Schein und Feuer, Fackeln rot und Brand, e: Die drohn im Weiten mit gezückter Hand e: Und scheinen hoch von dunkler Wolkenwand.

Ausblick auf weitere Herausforderungen in Gedichten

Und hier schon mal eine Vorschau auf das, was man mit einem solchen Gedicht noch anfangen kann. Keine Sorge, wir werden das in aller Ruhe und genau erklären.

 

Kann der Reim was mit dem Inhalt des Gedichtes zu tun haben?

Reim und Inhalt – gibt es Zusammenhänge?

Analyse von Gedichten – das heißt: erst mal die Form beschreiben. Beim Versmaß bzw. Rhythmus kennt man das schon: Wo ein an sich fester Rhythmus gestört wird, da ist meistens auch inhaltlich was los. Aber wie sieht das beim scheinbar so harmlosen Reim aus? Glücklicherweise hat Goethe uns zwei Gedichte hinterlassen, an denen man schön zeigen kann, dass auch Reim-Störungen was mit dem Inhalt zu tun haben.

Zum Video und zur Dokumentation

Zu diesem Thema haben wir auf Youtube ein Video eingestellt, das unter der folgenden Adresse aufgerufen werden kann:

Videolink
Die Dokumentation kann hier abgerufen werden:

Einführung und Überblick

Gedicht Nr. 1: Goethe, „Meeresstille“ – ein Reimpartner ist aus dem Takt

Johann Wolfgang Goethe

Meeresstille

01 Tiefe Stille herrscht im Wasser,
02 Ohne Regung ruht das Meer,
03 Und bekümmert sieht der Schiffer
04 Glatte Fläche ringsumher.
05 Keine Luft von keiner Seite!
06 Todesstille fürchterlich!
07 In der ungeheuern Weite
08 Reget keine Welle sich.

Goethe, „Glückliche Fahrt“ – zielgerichtetes Reim-Chaos

 

Hier noch eine kleine Ergänzung zur Dokumentation:

Bei „Glückliche Fahrt“ geht es darum, dass sich der Schiffer bei aufkommendem Wind nicht nur mal so „rühren“ soll, sondern dass er „geschwinde“ die Chance nutzt. Dementsprechend gibt es hier im Gedicht nach flauem Beginn zunehmend Reime, aber sie sind noch nicht geordnet – und das passt natürlich zu einem schnellen Aufbruch.

Johann Wolfgang Goethe

Glückliche Fahrt

01 Die Nebel zerreißen,
02 Der Himmel ist helle,
03 Und Äolus löset
04 Das ängstliche Band.
05 Es säuseln die Winde,
06 Es rührt sich der Schiffer.
07 Geschwinde! Geschwinde!
08 Es teilt sich die Welle,
09 Es naht sich die Ferne;
10 Schon seh‘ ich das Land!

Weiterführende Hinweise

  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
  • Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.

Gedichtanalyse: „Thema“ – „Deutungshypothese“: Was ist der Unterschied?

„Thema“ – „Deutung“: Wo ist das Problem?

Im Deutschunterricht hat es sich eingebürgert, dass man bei der Analyse eines Gedichtes zwei Dinge relativ früh nennt:

  1. Thema
  2. Deutungshypothese

Der Unterschied ist ganz einfach:

  1. Das Thema ist immer eine Fragestellung oder eine Problemstellung.
  2. Die Deutungshypothese ist eine Vermutung, wie die Antwort lauten oder die Lösung aussehen könnte.

Wie bekommt man beides heraus?

Das Problem ist, dass die Einleitung in eine Gedichtinterpretation relativ leicht zu schreiben ist:

  1. Art des Textes, ggf. nicht nur Gedicht, sondern Naturgedicht, politisches Gedicht oder auch Sonett u.ä.
  2. Verfasser
  3. Titel
  4. eventuell Entstehungszeit
  5. ggf. auch Ort der Veröffentlichung

Dann aber ist Schluss mit den einfachen Dingen.

Denn um Thema und Deutungshypothese bestimmen zu können, muss man das Gedicht verstanden haben. Also erst mal Analyse, dann die Einleitung zu Ende schreiben.

Am besten lässt man vorne einfach die beiden Punkte erst mal frei.

Beispiel: Gedicht „Balkons in der Vorstadt“ von Ernst Lissauer (1882-1937)

 

Ernst Lissauer

Balkons in der Vorstadt

  • Zwei Infos: Es geht um eine Vorstadt, vielleicht schon nah an der Umgebung, nicht mehr so eng
  • Und es geht um Balkons, also die Teile der Häuser, auf denen man sich erholen und die man gestalten kann.
  • Das ist aber nicht das Thema, sondern wahrscheinlich der Gegenstand, das Objekt des Gedichtes. Wir suchen die Fragestellung, die zum Gedicht passt.Stuben an Stuben, langhin aneinandergestaut,
    Stockwerk auf Stockwerk getürmt, Wolken und Sterne verbaut,
    Weithin Stein und Asphalt —
    Wächst irgendwo Weizen und Wald?
    Dunst, Rauch, Staub —
    Rauscht irgendwo Welle und Laub?
  • Hinweis auf Enge
  • Trennung von der Natur, der Weite
  • Hervorhebung des Materials, das die Natur ersetzt
  • Dann die zweifache Frage nach dem, was eigentlich auch zum Leben gehört
  • Erste Vermutung: Thema: „Wie ist das Leben in der Vorstadt – wenn man da (wenigstens) einen Balkon hat?“
  • Erste Vermutung der Antwort: „Das Leben dort ist negativ, eng und naturfern.“Nie von starkem Leuchten besonnt,
    Wie gemauerter Nebel starrt die unendliche Front.
  • Hinweis auf ein Defizit
  • Unangenehmes Bild für das Negative der UmgebungDoch an jedem Haus, jedem Geschoss, immer zu zweit,
    Balköne, schwebende Zimmer, hangen
    ln langen
    Fluchten zur Rechten und Linken die Straße hinuntergereiht;
    Aus Wein und aus Efeu geflochten Wände aus Grün,
    Irdene Töpfe, drin rote Geranien und Fuchsien blühn,
    Stücke Wiese und Wuchs, verwehte, verstreute, —
    Land der landlosen Leute.
  • „Doch“ = entscheidend, weil jetzt was Neues kommt
  • Die Balkons bekommen plötzlich eine positive Bedeutung, was wir am Anfang schon vermutet haben.
  • Die „langen Fluchten“ der Häuser nicht mehr negativ,
  • sondern sie präsentieren Gestaltung.
  • Und zwar ein bisschen Natur, von dem man sonst entfernt ist.
  • Und dann der wunderbare Schluss, der im Negativen der Landlosigkeit doch die Chance sieht, sich ein bisschen Land und Natur in die Wohnung zu holen.

Klärung der beiden Aspekte bei diesem Gedicht

  1. Thema ist jetzt immer noch das Leben der Menschen in Vorstädten.
  2. Die Antwort aber hat sich verändert: Es geht jetzt nicht mehr nur darum zu zeigen, wie schlimm es in diesen Großstädten war, sondern der Akzent hat sich verschoben zu dem, was die Menschen daraus für sich doch gemacht haben.

Über die Analyse hinaus:

  1. Es spricht einiges dafür, dass dieses Gedicht zum Expressionismus gehört, weil ein typisches Thema dieser Epoche auftaucht, nämlich die Enge und Naturferne des Großstadtlebens.
  2. Interessant und eher ungewöhnlich ist der ungewöhnliche Ausklang: Nicht mehr in erster Linie Sozialkritik, sondern bewundernde oder zumindest anerkennende Bewertung dessen, was Menschen unter diesen Umständen hier leisten.
  3. Diskutieren kann man sicher die Frage, ob das Gedicht nicht systemstabilisierend ist – nach dem Motto: Wie immer es aussieht, du kannst daraus was machen. Ist also alles nicht so schlimm.
  4. Man kann es aber auch positiv sehen: Wir wollen größere und schönere Wohnungen für möglichst alle Menschen – mit einem Garten und guter Anbindung an die Natur. Aber auf dem Weg dahin müssen wir nicht warten, sondern können uns schon „Land“ als „Landlose“ schaffen.

Zum Video und zur Dokumentation

Das Video zu dieser Frage findet sich auf Youtube hier:

Die Dokumentation kann hier heruntergeladen werden:
Mat1592 VidBegl Gedichtanalyse – Unterschied Thema und Deutungshypothese

Weiterführende Hinweise

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Schwierige Stellen in Gedichten verstehen

Wissen:
Gedichte sind meistens sehr konzentrierte Texte.
Je „löchriger“ eine Stelle ist, desto mehr muss man auch hineindenken.
Das sind aber immer nur Hilfsmaßnahmen, die man immer wieder am Text überprüfen muss.
Irgendeine Interpretation nehmen kann helfen, aber dort können einem auch nur Wege gezeigt werden, die einen selbst überzeugen müssen.
Vor allem müssen sie zum Wortlaut des Gedichtes passen. Was der Autor sich da möglicherweise gedacht hat und was man aus seiner Biografie herausholen kann, ist zweitrangig.#
Verstehen
Bei einer schwierigen Stelle in einem Gedicht muss man gewissermaßen ein Gespräch mit dem Text führen.
Das Gedicht kann aber nur mit dem antworten, was da steht.
Also muss man selbst versuchen, die Lücken zu füllen.
Das ist ganz natürlich – es muss für andere nur nachvollziehbar sein.
Machen

Wir probieren das jetzt mal am Beispiel eines Gedichtes von Lessing aus.
Die Überschrift lassen wir mal weg, weil sie nur besagt, dass Lessing dieses Gedicht wohl mit Blick auf jemanden geschrieben hat.
Uns interessiert aber nicht der biografische Kontext, sondern der Wortlaut des Gedichtes.
Zu finden ist das Gedicht zum Beispiel hier:

01: Des Geists der Wahrheit rühmt sich bald
02: Die Kirche jedes Ortes;
03: Und alles zwingende Gewalt
04: Wird Kraft des wahren Wortes.

Es geht um drei Dinge, zum einen um den „Geist der Wahrheit“, dann „Die Kirche jedes Ortes“ und dann die Verbindung der beiden Dinge, nämlich das Rühmen.
Wir verstehen das so, dass alle Kirchen für sich in Anspruch nehmen, den Geist der Wahrheit zu verkörpern.
Nun kann man da skeptisch werden, weil die Kirche zu Lessings Zeiten eher auf religiöse Rechtgläubigkeit setzte, als auf Gedanken der Aufklärung.
Aber man kann mal die Vermutung anstellen, dass Lessing hier wirklich optimistisch ist und annimmt, dass sich die Kirche auf die Aufklärung einstellen.
Das wird dann bestätigt durch die zweite Hälfte des Gedichtes, denn es was demnächst „alles“ zwingen soll, ist die „Kraft des wahren Wortes“.
Und daran kann nicht gezweifelt werden, dass das positiv gemeint ist.
Letztlich macht es wohl am meisten Sinn, wenn man das sehr kurze und damit inhaltlich auch verkürzte Gedicht so versteht, dass die Kirchen überall sich nicht nur rühmen,
sondern dass dabei auch die Wahrheit zur „alles zwingenden Gewalt“ wird, also sich durchsetzt.
Hier kann man nun ergänzendes Wissen hinzunehmen, dass Lessing als Aufklärer eben auch ein Optimist war, der glaubte, dass die Gedanken und vor allem die Prinzipien der Aufklärung sich überall durchsetzen würden  – sogar in den Kirchen als den bisherigen Bastionen der Rechtgläubigkeit.
Weiterführende Hinweise
Gesamtregister unserer Infos und Materialien:
https://schnell-durchblicken3.de/index.php/uebersichten/alphabetische-uebersicht-ueber-die-infos-und-materialien

Eine Liste unserer Videos bei Youtube findet sich hier:
https://schnell-durchblicken3.de/index.php/uebersichten/lernvideos

Inhaltsangabe von Gedichten? Wie kann die aussehen?

Das Problem mit der Inhaltsangabe einzelner Gedichte

Immer wieder hört und liest man, dass Schüler zu Gedichten eine Inhaltsangabe schreiben sollen.

Das ist bestimmt sinnvoll und auch leicht machbar bei Balladen. Denn das sind ja eigentlich Erzählungen eines dramatischen Ereignisses in Gedichtform.

Nun aber zum Problem: Wie soll man eine Inhaltsangabe zu einem Gedicht schreiben, wenn dort nur einfach Gedanken geäußert und vielleicht noch etwas beschrieben wird.

Am besten schaut man sich das mal bei einem Beispiel an. Wir haben dieses Gedicht schon mal an anderer Stelle interpretiert
https://wvm.schnell-durchblicken3.de/morgenstern-christian-berlin/

Wenn man sich die Seite anschaut, sieht man am Ende noch besser, was der Unterschied sein könnte.

Das Video zum Thema

Die Dokumentation zum Video findet sich Mat1577 VidBegl Inhaltsangabe bei Gedichten.

Beispiel: Christian Morgenstern, „Berlin“

Wir orientieren uns an der Grundidee einer Inhaltsangabe. Dort soll man nämlich einem anderen, der den Text nicht kennt, einen Überblick über die wichtigsten Inhalte geben. Dazu gehört natürlich auch, dass man etwas zu dem Text selbst sagt, soweit das bei einem Gedicht möglich ist.

Christian Morgenstern

Berlin

01 Ich liebe dich bei Nebel und bei Nacht,
02 wenn deine Linien ineinander schwimmen, –
03 zumal bei Nacht, wenn deine Fenster glimmen
04 und Menschheit dein Gestein lebendig macht.

05 Was wüst am Tag, wird rätselvoll im Dunkel;
06 wie Seelenburgen stehn sie mystisch da,
07 die Häuserreihn, mit ihrem Lichtgefunkel;
08 und Einheit ahnt, wer sonst nur Vielheit sah.

09 Der letzte Glanz erlischt in blinden Scheiben;
10 in seine Schachteln liegt ein Spiel geräumt;
11 gebändigt ruht ein ungestümes Treiben,
12 und heilig wird, was so voll Schicksal träumt.

Versuch einer Inhaltsangabe:

  1. Das Gedicht ist 1906 entstanden.
  2. Präsentiert wird eine Art Liebeserklärung an Berlin, wobei vor allem der Übergang zur Nacht hervorgehoben wird.
  3. Der eher als wüst empfundene Tag erscheint dann für das Lyrische Ich mystisch. Hervorgehoben wird, dass die Menschheit dann eher wieder zu einer Einheit wird.
  4. Von besonderer Bedeutung scheint der Übergang zur Nacht zu sein, die als ein Ort verstanden wird, indem alles gebändigt erscheint, was dem Lyrischen Ich sogar heilig vorkommt.

Wichtig im Unterschied zu einer Interpretation ist, dass man sich hier wirklich auf den deutlich erkennbaren Inhalt konzentriert, d.h. es geht mehr um Themen und Aussagen dazu als um Figuren und Handlungen.

Vorschlag: Was gehört in eine Gedicht-Inhaltsangabe

Letztlich könnte man sagen, dass der Inhalt eines Gedichtes aus zwei Elementen besteht:

  1. Den Themen, die angesprochen werden.
  2. Und die Aussagen, die dazu gemacht werden oder beim Leser als Eindruck entstehen.

Letztlich ist das wie bei der „Inhaltsangabe“ zu einer Diskussion. Auch da macht es keinen Sinn, nacheinander wiederzugeben, was wer gesagt hat. Sondern es wird zusammengefasst, zu um welche Fragen es ging und was dabei deutlich geworden ist oder herausgekommen ist.

Die Inhaltsangabe bei der thematischen Kurz-Vorstellung von Gedichten

Im Video zeigen wir dann noch an drei Gedichten von Eichendorff, wie man dort durchaus sinnvoll mit Inhaltsangaben arbeiten kann – aber die ersetzen eben auch nicht irgendwie und vor allem schlecht eine Interpretation. Ihre Aufgabe ist es, kurz Gedichte unter einem bestimmten Aspekt vorzustellen.

 

 

Anke Maggauer-Kirsche, „Abend in den Gassen“ – Beurteilung von Gedichten

Wenn die Lust zur Beurteilung wächst …

Wenn man auf ein Gedicht stößt und nicht gleich versteht, worauf es hinausläuft, dann wird es spannend. Denn dann geht es nicht mehr nur darum, dem Deutschlehrer eine Freude zu machen. Sondern es geht um die eigene Beziehung zu dem Text. Dennoch sollte man auch nicht gleich subjektiv an den Text herangehen, sondern erst mal sachlich klären, was das Gedicht hergibt. Erst danach versucht man sich in einer Beurteilung, die vielleicht auch andere nachvollziehen können.

Beispiel-Check eines Gedichtes

Wir spielen das mal durch am Beispiel des Gedichtes „Abend in den Gassen“ von Anke Maggauer-Kirsche, Zu finden ist es hier.

  1.  „Abend in den Gassen“
    Die Überschrift gibt nur den Ort und die Tageszeit an.  Es bleibt offen, in welche Richtung das gehen wird.
  2. Es folgen zwei Beschreibungselemente, die deutlich machen, in welche Richtung die Titelangabe sich entwickelt.
    Zum einen ist da die Bewegung des Lichts in Schaffenform an den Wänden, wohl der Häuser.
    Zum anderen wird das Licht charakterisiert als „der sanfte Glanz“. Das wird verbunden mit „des Alters“ und das Nachfolgende lässt vermuten, dass es sich um Steine handelt, die zu den Gebäuden u.ä. gehören.
    Wichtig sind die Begriffe „sanfte“ und „weich“, weil sie die Richtung verdeutlichen, in welche dieser Abendeindruck geht.
  3. Die nächste Strophe verstärkt dann den Eindruck, dass es sich um eine alte Stadt handelt, man meint hier Ankänge an die Romantik zu spüren, wenn auch das Geburtsdatum der Verfasserin 1948 deutlich macht, dass das nichts mit Eichendorff und Co zu tun hat.
    „golden“ passt dann wieder zu dieser schönen Atmosphäre.
    Dass das Abendlicht „die Schatten / von den Wänden“ streift, muss erste mal nachvollzogen werden. So richtig passt das nicht, denn die Schatten werden ja am Abend eher größer – das scheint hier lokal aber wohl anders zu sein.
  4. Dass sich die Gassen dann „verwischen“, hängt sicher mit der zunehmenden Dämmerung zusammen. Das führt auch wohl dazu, dass das Lyrische Ich das als „sanfter“ empfindet. Die scharfen Konturen verschwinden.
    Die Schlusspassage gehört dann – auch nahe an Eichendorff – der Mond, der allerdings als „träger“ vorgestellt wird, vielleicht hängt es mit Müdigkeit zusammen. Die anschließende Kombination von „steil“ und „langsam“ überzeugt aber nicht so ganz, denn das Steile verbindet man eher mit Dynamik. Man muss ja auch die Bahn des Mondes sehen.
    Dass „träge“ auch noch mit einem „trüben Abendhimmel“ verbunden wird, zerstört die vorher aufgebaute Stimmung und lässt unser Leserurteil eher ins Negative kippen.

Beurteilungsaspekte

  1. Wir haben uns wirklich bemüht, das Gedicht gut zu finden.
  2. Aber irgendwie haben wir die ganze Zeit drauf gewartet, dass da noch irgendwas kommt.
  3. Aber am Ende kommt nicht nur irgendwie nichts Besonderes, sondern man hat auch den Eindruck einer ziemlichen Beliebigkeit.
  4. Am Anfang war da doch noch „der sanfte Glanz / des Alters“ und „golden“ fiel „das letzte Abendlicht“ ein. Und auch sanfter erschienen schließlich die Gassen. Aber dann der Absturz der Kombination von „steil und langsam“ beim Mond. Das geht – wie wir schon gezeigt haben, gar nicht.
  5. Und dann kombiniert die Verfasserin auch noch einen „trüben Abendhimmel“ (wodurch ist der das plötzlich geworden?) mit einem „Mond“, der als „träger“ präsentiert wird. Was soll das Ganze?
  6. Insgesamt kann man dieses Gedicht sehr schön verwenden, um die Reaktion von Lesern oder Hörern zu testen. Wir sind eher enttäuscht, haben das Gefühl, da wollte jemand ein Gedicht schreiben, hat sich hingesetzt und alles verwendet, was gerade zu sehen war oder was ihm dazu einfiel. Das kann man machen – aber wir stellen hier höhere Ansprüche an ein Gedicht, wollen keine Beliebigkeit, sondern das Ergebnis einer Auseinandersetzung mit dem, worum es geht.
  7. Aber das kann man auch völlig anders sehen – und dann wird es spannend.

Idee für Vergleichsmöglichkeiten

Man könnte das Gedicht vergleichen mit Eichendorffs „Weihnachten“. Dabei geht es nicht darum, das inhaltlich gut zu finden. Aber man bekommt einen Eindruck davon, dass ein Gedicht eine Spannung enthalten kann, die auf etwas zuläuft.

Joseph von Eichendorff

Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

  • Auch hier erst eine Beschreibung und dann der Eindruck, den das auf das Lyrische Ich macht – mit dem Akzent auf „festlich“.An den Fenstern haben Frauen
    Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
    Tausend Kindlein stehn und schauen,
    Sind so wunderstill beglückt.
  • Hier noch mehr Details und die Wirkung auf die Kinder mit dem Schwerpunkt „beglückt“.Und ich wandre aus den Mauern
    Bis hinaus ins freie Feld,
    Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
    Wie so weit und still die Welt!
  • Jetzt eine Ortsveränderung „ins freie Feld“ hinein mit Hinweisen auf die tiefe Wirkung, die das auf das Lyrische Ich hat. Am Ende die Feststellung einer Welt, die „weit und still“ ist – ein Kontrast (zumindest teilweise) zu dem, was vorher beschrieben wurde.Sterne hoch die Kreise schlingen,
    Aus des Schnees Einsamkeit
    Steigt’s wie wunderbares Singen –
    O du gnadenreiche Zeit!
  • Dann der Blick nach oben und eine Art Vision, die das Lyrische Ich hat, die zu einem Erlebnis von Weihnachten führt, das aus der Natur herauswächst, aber alles einschließt, was zu dieser besonderen Zeit des Jahres gehört.
  • Auf diese „gnadenreiche“ Zeit läuft alles hinaus – damit kann man als Leser gut leben, auch wenn man selbst mit Weihnachten vielleicht andere Dinge verbindet.

Weiterführende Hinweise

  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
  • Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.