Dazu soll dann noch eine mp3-Version kommen, die man sich anhören kann, während man alles an der eigenen Textausgabe verfolgt.
Ein Gedicht zum Einstieg
S. 3: Ein Gedicht zum Einstieg,
das deutlich macht, dass man nicht vorschnell jemanden verurteilen soll. Man ahnt schon, dass es hier um eine Untat und deren Entstehung geht. Nähere Beschreibung mit mp3-Vorstellung
S. 3-7: Die armen Frauen des Hermann Mergel
Es geht um einen Mann, der sich immer wieder betrinkt. Man ist als Leser erstaunt, dass er eines Tages eine junge Frau heiratet, die ihn schnell verlässt und dann auch bald vor lauter Kummer stirbt.
Eine andere Frau, Margareth Semmler, hält sich für so stark, dass sie meint, diesen Mann zähmen zu können. Einige Zeit geht es gut, aber dann wird sie auch misshandelt, bleibt aber bei ihm.
S. 7-10: Ein Kind wird geboren – der Vater kommt um. Nähere Beschreibung mit mp3-Datei
Nach einem Jahr wird Friedrich geboren, den der Vater sehr liebt. Das Eheleben bleibt aber schwierig. Eines Nachts wird Hermann Mergel tot aufgefunden, die Frau ist Witwe.
S. 10-16: Friedrich wird zum Einzelgänger und gerät mit 12 Jahren in die Hände seines Onkels Simon. Der verhält sich seltsam an dem Ort, an dem Friedrichs Vater tot aufgefunden wurde.
S. 17-20: Friedrich bringt einen Jungen mit, der ihm sehr ähnlich ist. Die Mutter glaubt, dass es ein unehelicher Sohn ihres Bruders ist, was sie sehr stört. Glücklich ist sie, weil ihr Sohn erstes Geld mit nach Hause bringt.
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Friedrichs Aufstieg und der Tod des Oberförsters
Friedrichs Aufstieg und erste Untat
S. 20-21: Friedrich hat sich inzwischen ein ziemlich gutes Image im Dorf erarbeitet. Nähere Beschreibung mit mp3-Datei
S. 21-23: Gleichzeitig tritt eine neue Bande von Holzdieben auf, die „Blaukittel“ genannt werden.
S.23-27: Juli 1756: Friedrich hütet nachts die Tiere, wird vom vorbeikommenden Förster Brandis beleidigt und zeigt ihm dann den Weg, den seine Begleiter angeblich schon genommen haben.
S. 27-30: Friedrich kehrt spät nach Hause zurück und ist irgendwie krank. Der Gerichtsschreiber kommt vorbei, berichtet, dass der Förster tot aufgefunden worden sei, und verdächtigt Friedrich. Dieser wird von Johannes zu seinem Onkel gerufen.
S. 30-32: Verhöre, u.a. wird auch Friedrich verhört und plötzlich mit einer blutigen Axt konfrontiert, er hat aber ein Alibi – und alles verläuft im Sande. Die Blaukittel tauchen nicht mehr auf.
S. 32-34: Friedrich fühlt sich schuldig, weil er die Blaukittel gewarnt und den Förster in eine falsche Richtung geschickt hat. Von seinem Onkel wird er allerdings vor der Beichte abgefangen und verzichtet dann darauf.
S. 34f: Friedrich wird immer arroganter, nur ein junger Mann, Wilm Hülsmeyer ist ihm überlegen.
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Der Uhren-Eklat und der Tod Aarons
Friedrich auf dem Weg zur zweiten Untat https://wvm.schnell-durchblicken3.de/judenbuch-uhren-vorfall/
S. 35ff: Vier Jahre später kommt es zu einem Eklat, als Friedrich bei einem Fest mit einer silbernen Taschenuhr angibt, für die kurz darauf der Jude Aaron das fehlende Geld verlangt. Friedrich verlässt tief gedemütigt die Feier.
S. 41ff: Der Jude Aaron ist tot aufgefunden worden. Friedrich verschwindet, die Sache wird nicht aufgeklärt.
S. 45: Die Juden der Umgebung sorgen dafür, dass die Buche, unter der der tote Jude gefunden worden ist, stehenbleibt und eine hebräische Inschrift bekommt.
S. 46: Der Gutsherr erfährt von einem anderen Prozess, in dem jemand einen Mord zugegeben hat, der Friedrich entlasten könnte. Der Amtsschreiber erklärt, dass vielleicht Holzfrevel der eigentliche Grund für die Flucht gewesen sein könnte.
Schlussteil der Novelle
https://wvm.schnell-durchblicken3.de/judenbuche-schlussteil/
S. 47ff: Nach 28 Jahren kommt Johannes wieder, der angibt, in der Türkei Sklave gewesen zu sein. Für Friedrich, mit dem er zusammen geflohen sei, solle man beten. Interessant ist, dass Johannes erstaunt ist, dass Friedrich nicht mehr wegen des Mordes an dem Juden verdächtigt wird. Er wird dann von dem Gutsherrn versorgt und übernimmt kleinere Aufträge, bis er eines Tages nicht mehr auftaucht.
S. 56ff: Der Sohn des Försters entdeckt an der Judenbuche eine Leiche, die sich als die Friedrichs herausstellt. Sie wird ohne Zeremonie verscharrt.
Die Novelle endet mit einer Bemerkung des Erzählers, dies habe sich alles so im September 1788 ereignet. Dazu wird der Inhalt der Inschrift an der Buche deutsch wiedergegeben: Sie warnt den Mörder, sich ihr zu nähern, sonst werde ihm dasselbe passieren, was er dem toten Juden angetan hat.
Weiterführende Hinweise
Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.
Wie man schnell in ältere Lektüren einsteigen kann
Wer sich im Deutschunterricht mit einer älteren Lektüre beschäftigen soll, hat erst mal einige Probleme mit dem Einstieg. Das gilt natürlich vor allem für die Sprache – aber auch die Textmenge kann manchen erst mal „erschlagen“.
Deshalb greifen wir zentrale Textstellen heraus und erklären alles, was man zum Verständnis braucht.
Beispiel: „Die Judenbuche“ – schneller und leichter Einstieg
Deshalb haben wir auf Youtube ein Video eingestellt, in dem – in diesem Falle – „Die Judenbuche“ in etwas mehr als 13 Minuten vorgestellt wird:
Dieses Video hilft dabei, indem es nicht nur einen groben Überblick über den Inhalt gibt, sondern auch wichtige Textstellen einbezieht. Damit hat man schon mal einen eigenen Zugang zum Text, den man später leicht ausbauen kann.
Dabei wiederum helfen mp3-Dateien, die dieses Video unterstützen. Die kann man sich direkt „auf die Ohren legen“ und dann alles an der eigenen Textausgabe verfolgen. So kann man auch schnell zeigen, dass man wirklich mit dem Text „gearbeitet“ hat.
Die einzelnen Teile der Novelle „Die Judenbuche“ werden hier vorgestellt – mit unterstützenden mp3-Dateien:
Die Bedeutung eines Spruchs am Anfang einer Novelle
Normalerweise beginnen Erzählungen – und eben auch Novellen – mit dem eigentlichen Inhalt, Beschreibungen und Handlungen.
Bei der Novelle „Die Judenbuche“ ist das anders. Es gibt da einen langen Vorspruch oder auch ein Eingangsgedicht, das viel mit dem Inhalt zu tun hat.
Da es sehr stark in einer altertümlich wirkenden Sprache geschrieben ist, erklären wir es im folgenden:
Erklärung des Gedichtes
Das Folgende gibt es auch als Hör-Datei im mp3-Format. Dann kann man das direkt in der eigenen Textausgabe verfolgen:
Wo ist die Hand so zart, dass ohne Irren
Sie sondern mag beschränkten Hirnes Wirren,
Der Sprecher, der wohl identisch ist mit dem Erzähler, fragt sich hier, wie es überhaupt möglich sein kann, ohne Missverständnisse bzw. Fehler die „Wirren“, d.h. das Durcheinander, eines „beschränkten Hirnes“, also eines Kopfes, der nicht alles weiß, kann und versteht, zu „sondern“, also genau zu analysieren.
So fest, daß ohne Zittern sie den Stein
Mag schleudern auf ein arm verkümmert Sein?
In einem zweiten Schritt geht es um die Frage der Strafe. Die wird hier in das Bild eines Steines gebracht, den man auf einen Menschen wirft, der „verkümmert“ ist, also gerade nicht stark, voll entwickelt wie vielleicht die, die urteilen.
Das bezieht sich hier auf eine Bibelstelle, in der Jesus sagt, nur wer ohne Schuld sei, dürfe den ersten Stein werfen – und er meint damit wohl, dass niemand das kann.
(Vgl. Johannes 8, Vers 7).
Wer wagt es, eitlen Blutes Drang zu messen,
Zu wägen jedes Wort, das unvergessen
In junge Brust die zähen Wurzeln trieb,
Des Vorurteils geheimen Seelendieb?
Hier wird jetzt noch mal gewissermaßen auf die mildernden Umstände eingegangen, die bei einer Tat zu berücksichtigen sind.
„Eitles Blut“, also eine innere Erregung, die einen in einen bestimmten Gefühlszustand bringt, den man nicht unter Kontrolle hat.
Dann Worte, die in einem Menschen Schlimmes bewirkt haben.
Schließlich Vorurteile, die einem gewissermaßen die gute Seele rauben.
Du Glücklicher, geboren und gehegt
Im lichten Raum, von frommer Hand gepflegt,
Leg hin die Waagschal‘, nimmer dir erlaubt!
Lass ruhn den Stein – er trifft dein eignes Haupt!
Hier wird jeder noch mal direkt angesprochen, der zu schnell mit dem Urteilen ist.
Zunächst wird darauf hingewiesen, dass viele, die nicht schuldig werden, einfach nur in besseren Verhältnissen gelebt haben.
Das wird dann in Zeile 10 in zwei Bildern näher ausgeführt.
Am Ende dann die doppelte Aufforderung, zum einen die Waagschale der Bewertung wegzulegen
und dann vor allem den Stein. Wenn man meint den anderen damit zu treffen, treffe man sich doch eigentlich selbst.
Zusammenfassung
Das Gedicht warnt vor zu schnellen Urteilen und macht damit neugierig auf den Fall, der hier entwickelt wird. Man darf wohl erwarten, dass es dort eben auch keine Eindeutigkeit gibt.
Dorf B.: abgeschlossen, beschränkt, aber auch originell
Die Novelle beginnt mit der Beschreibung der Welt, in die Friedrich Mergel hineingeboren wird.
Das passt genau zu dem Gedicht am Anfang, wo es um die „Wirren“ eines „beschränkten Hirnes“ geht.
Friedrich Mergel wächst eben in eine beschränkte Welt hinein, in der auch einiges im Denken und Fühlen der Menschen in Verwirrung geraten ist.
Das Folgende kann man sich auch in
anhören.
S. 3: Friedrich Mergel, geboren 1738, war der einzige Sohn eines sogenannten Halbmeiers oder Grundeigentümers geringerer Klasse im Dorfe B., das, so schlecht gebaut und rauchig es sein mag, doch das Auge jedes Reisenden fesselt durch die überaus malerische Schönheit seiner Lage in der grünen Waldschlucht eines bedeutenden und geschichtlich merkwürdigen Gebirges.
Das Ländchen, dem es angehörte, war damals einer jener abgeschlossenen Erdwinkel ohne Fabriken und Handel, ohne Heerstraßen, wo noch ein fremdes Gesicht Aufsehen erregte, und eine Reise von dreißig Meilen selbst den Vornehmeren zum Ulysses seiner Gegend machte – kurz, ein Fleck, wie es deren sonst so viele in Deutschland gab, mit all den Mängeln und Tugenden, all der Originalität und Beschränktheit, wie sie nur in solchen Zuständen gedeihen.
Rechtsbewusstsein
S. 3/4: Unter höchst einfachen und häufig unzulänglichen Gesetzen waren die Begriffe der Einwohner von Recht und Unrecht einigermaßen in Verwirrung geraten, oder vielmehr, es hatte sich neben dem gesetzlichen ein zweites Recht gebildet, ein Recht der öffentlichen Meinung, der Gewohnheit und der durch Vernachlässigung entstandenen Verjährung. Die Gutsbesitzer, denen die niedere Gerichtsbarkeit zustand, straften und belohnten nach ihrer in den meisten Fällen redlichen Einsicht; der Untergebene tat, was ihm ausführbar und mit einem etwas weiten Gewissen verträglich schien […]
Soviel darf man indessen behaupten, dass die Form schwächer, der Kern fester, Vergehen häufiger, Gewissenlosigkeit seltener waren. Denn wer nach seiner Überzeugung handelt, und sei sie noch so mangelhaft, kann nie ganz zugrunde gehen, wogegen nichts seelentötender wirkt, als gegen das innere Rechtsgefühl das äußere Recht in Anspruch nehmen.
Holz- und Jagdfrevel
S. 4: Ein Menschenschlag, unruhiger und unternehmender als alle seine Nachbarn, ließ in dem kleinen Staate, von dem wir reden, manches weit greller hervortreten als anderswo unter gleichen Umständen. Holz- und Jagdfrevel waren an der Tagesordnung, und bei den häufig vorfallenden Schlägereien hatte sich jeder selbst seines zerschlagenen Kopfes zu trösten. Da jedoch große und ergiebige Waldungen den Hauptreichtum des Landes ausmachten, ward allerdings scharf über die Forsten gewacht, aber weniger auf gesetzlichem Wege, als in stets erneuten Versuchen, Gewalt und List mit gleichen Waffen zu überbieten.
S.4/5: Das Dorf B. galt für die hochmütigste, schlauste und kühnste Gemeinde des ganzen Fürstentums. Seine Lage inmitten tiefer und stolzer Waldeinsamkeit mochte schon früh den angeborenen Starrsinn der Gemüter nähren; die Nähe eines Flusses, der in die See mündete und bedeckte Fahrzeuge trug, groß genug, um Schiffbauholz bequem und sicher außer Land zu führen, trug sehr dazu bei, die natürliche Kühnheit der Holzfrevler ermutigen, und der Umstand, dass alles umher von Förstern wimmelte, konnte hier nur aufregend wirken, da bei den häufig vorkommenden Scharmützeln der Vorteil meist auf seiten der Bauern blieb.
In der Novelle geht es nach dem Gedicht und die Vorstellung der Gegend und ihrer Bewohner um die Familie, in die Friedrich hineingeboren wird. Außerdem wird deutlich, wie er sich entwickelt.
Hier die mp3-Datei, die bis zum Erscheinen des Onkels reicht.
S. 5ff: Friedrichs Vater und seine erste Frau
Bevor Friedrich zur Welt kommt, geht es erst mal um zwei Frauen. Die erste ist nur ganz kurz die Frau seines Vaters – aber schauen wir mal in den Text, oben auf S. 6 geht es los.
„Friedrichs Vater, der alte Hermann Mergel, war in seinem Junggesellenstande ein sogenannter ordentlicher Säufer, d.h. einer, der nur an Sonn- und Festtagen in der Rinne lag und die Woche hindurch so manierlich war wie ein anderer.
So war denn auch seine Bewerbung um ein recht hübsches und wohlhabendes Mädchen ihm nicht erschwert. Auf der Hochzeit ging’s lustig zu. Mergel war gar nicht zu arg betrunken, und die Eltern der Braut gingen abends vergnügt heim;
aber am nächsten Sonntage sah man die junge Frau schreiend und blutrünstig durchs Dorf zu den Ihrigen rennen, alle ihre guten Kleider und neues Hausgerät im Stich lassend.
Das war freilich ein großer Skandal und Ärger für Mergel, der allerdings Trostes bedurfte.
So war denn auch am Nachmittage keine Scheibe an seinem Hause mehr ganz, und man sah ihn noch bis spät in die Nacht vor der Türschwelle liegen, einen abgebrochenen Flaschenhals von Zeit zu Zeit zum Munde führend und sich Gesicht und Hände jämmerlich zerschneidend.
Die junge Frau blieb bei ihren Eltern, wo sie bald verkümmerte und starb.
Ob nun den Mergel Reue quälte oder Scham, genug, er schien der Trostmittel immer bedürftiger und fing bald an, den gänzlich verkommenen Subjekten zugezählt zu werden.“
S. 6/7: Die zweite Frau – Friedrichs spätere Mutter
Erstaunlicherweise heiratet dann eine andere Frau aus recht guten Verhältnissen diesen schon ziemlich verkommenen Trinker. Sie wird natürlich von allen gewarnt, antwortet darauf aber nur:
„Eine Frau, die von ihrem Manne übel behandelt wird, ist dumm oder taugt nicht: wenn’s mir schlecht geht, so sagt, es liege an mir.“
Der Erzähler macht dann aber ganz deutlich, was draus geworden ist (Seite 7 oben):
„Der Erfolg zeigte leider, dass sie ihre Kräfte überschätzt hatte.
Anfangs imponierte sie ihrem Manne; er kam nicht nach Haus oder kroch in die Scheune, wenn er sich übernommen hatte;
aber das Joch war zu drückend, um lange getragen zu werden, und bald sah man ihn oft genug quer über die Gasse ins Haus taumeln, hörte drinnen sein wüstes Lärmen und sah Margreth eilends Tür und Fenster schließen.“
Und irgendwann ist sie dann in der gleichen Situation wie die erste Frau, muss aus dem Haus raus, sich fast verstecken – aber sie bleibt bei diesem Mann.
S. 7/8ff: Friedrichs Geburt, Tod des Vaters, Juden und Förster
Im zweiten Jahr der Ehe wird dann Friedrich geboren. Auch hier ist der Erzähler sehr deutlich und setzt dann einen interessanten Akzent (unten auf S. 7):
„Das zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem Sohne, man kann nicht sagen erfreut, denn Margreth soll sehr geweint haben, als man ihr das Kind reichte.
Dennoch, obwohl unter einem Herzen voll Gram getragen, war Friedrich ein gesundes, hübsches Kind, das in der frischen Luft kräftig gedieh.
Der Vater hatte ihn sehr lieb, kam nie nach Hause, ohne ihm ein Stückchen Wecken oder dergleichen mitzubringen, und man meinte sogar, er sei seit der Geburt des Knaben ordentlicher geworden; wenigstens ward der Lärmen im Hause geringer.“
Aber daraus wird dann auch nichts Gutes, weil der Vater in einer stürmischen Winternacht nicht nach Hause kommt und später tot aufgefunden wird.
Die Novelle konzentriert sich dann auf den Seiten 10/11 auf zwei Dinge, zum einen Vorurteile der Mutter gegenüber Juden (Mitte S. 10)
„Als nach zwei Tagen die Leiche fortgetragen wurde, saß Margreth am Herde, das Gesicht mit der Schürze verhüllend.
Nach einigen Minuten, als alles still geworden war, sagte sie in sich hinein: ‚Zehn Jahre, zehn Kreuze. Wir haben sie doch zusammen getragen, und jetzt bin ich allein!‘
dann lauter: ‚Fritzchen, komm her!‘ –
Friedrich kam scheu heran; die Mutter war ihm ganz unheimlich geworden mit den schwarzen Bändern und den verstörten Zügen.
‚Fritzchen,‘ sagte sie, ‚willst du jetzt auch fromm sein, daß ich Freude an dir habe, oder willst du unartig sein und lügen, oder saufen und stehlen?‘ – ‚Mutter, Hülsmeyer stiehlt.‘ – ‚Hülsmeyer? Gott bewahre! Soll ich dir auf den Rücken kommen? wer sagt dir so schlechtes Zeug?‘ – ‚Er hat neulich den Aaron geprügelt und ihm sechs Groschen genommen.‘ – ‚Hat er dem Aaron Geld genommen, so hat ihn der verfluchte Jude gewiß zuvor darum betrogen. Hülsmeyer ist ein ordentlicher, angesessener Mann, und die Juden sind alle Schelme.‘ – ‚Aber, Mutter, Brandis sagt auch, daß er Holz und Rehe stiehlt.‘ – ‚Kind, Brandis ist ein Förster.‘ – ‚Mutter, lügen die Förster?“
Und das ist dann Gelegenheit, Stellung zu nehmen zu den sogenannten „Holzfreveln“:
„Margreth schwieg eine Weile; dann sagte sie: ‚Höre, Fritz, das Holz läßt unser Herrgott frei wachsen und das Wild wechselt aus eines Herren Lande in das andere; die können niemand angehören. Doch das verstehst du noch nicht; jetzt geh in den Schoppen und hole mir Reisig.‘
Das ist dann schon die Überleitung zu einer entscheidenden Veränderung im Leben Friedrichs.
Wichtig ist aber auch noch die Erinnerung, die Friedrich an seinen Vater behält und was sie mit ihm macht. Oben auf S. 11 heißt es:
„Friedrich hatte seinen Vater auf dem Stroh gesehen, wo er, wie man sagt, blau und fürchterlich ausgesehen haben soll.
Aber davon erzählte er nie und schien ungern daran zu denken.
Überhaupt hatte die Erinnerung an seinen Vater eine mit Grausen gemischte Zärtlichkeit in ihm zurückgelassen, wie denn nichts so fesselt, wie die Liebe und Sorgfalt eines Wesens, das gegen alles Übrige verhärtet scheint, und bei Friedrich wuchs dieses Gefühl mit den Jahren, durch das Gefühl mancher Zurücksetzung von seiten anderer.“
Dann wird noch auf S. 11 darauf eingegangen, dass in dem Dorf die Sitte herrscht, alle, die durch ein Unglück umgekommen sind, für eine Art Gespenst zu halten. Interessant, wie Friedrich darauf reagiert (unten auf S. 11):
„Friedrich musste von andern Knaben vieles darüber hören; dann heulte er, schlug um sich, stach auch einmal mit seinem Messerchen und wurde bei dieser Gelegenheit jämmerlich geprügelt. Seitdem trieb er seiner Mutter Kühe allein an das andere Ende des Tales, wo man ihn oft stundenlang in derselben Stellung im Grase liegen und den Thymian aus dem Boden rupfen sah.“
Man merkt also deutlich, wie sehr Friedrich sich zum Einzelgänger und Außenseiter entwickelt.
S. 11/12: Friedrich wird dem Onkel Simon Semmler übergeben
Das kann man sich hier auch als mp3-Datei „auf die Ohren legen“.
Friedrichs Leben ändert sich völlig, als sein Onkel eines Tages vorbeikommt und mit seiner Mutter einen Deal macht: Er wird so eine Art Pate und darf über einen großen Teil seines Arbeitstages bestimmen, dafür wird Friedrich eines Tages sein Erbe.
Interessant ist, wie dieser Mann oben auf S. 12 vorgestellt wird:
„Simon Semmler war ein kleiner, unruhiger, magerer Mann mit vor dem Kopf liegenden Fischaugen und überhaupt einem Gesicht wie ein Hecht, ein unheimlicher Geselle,
bei dem dicktuende Verschlossenheit oft mit ebenso gesuchter Treuherzigkeit wechselte,
der gern einen aufgeklärten Kopf vorgestellt hätte und statt dessen für einen fatalen, Händel suchenden Kerl galt, dem jeder um so lieber aus dem Wege ging,
je mehr er in das Alter trat, wo ohnehin beschränkte Menschen leicht an Ansprüchen gewinnen, was sie an Brauchbarkeit verlieren. „
Als Friedrich dann mit seinem Onkel durch den Wald abzieht, wundert man sich als Leser nicht, dass schnell die Frage kommt (oben auf S. 15):
„‚Trinkst du gern Branntwein?’ – Der Knabe antwortete nicht. ‘Ich frage, trinkst du gern Branntwein? Gibt dir die Mutter zuweilen welchen?’ – ‘Die Mutter hat selbst keinen,’ sagte Friedrich. – ‘So, so, desto besser!“
Offensichtlich sieht der Onkel hier eine gute Möglichkeit, den Jungen in seinem Sinne zu erziehen.
Im weiteren Verlauf zeigt der Onkel dann Friedrich auch noch den Platz, an dem man seinen Vater tot gefunden hat und erklärt auch so ganz nebenbei, dass er „in der Betrunkenheit ohne Buße und Ölung zum Teufel gefahren“ sei (unten auf S. 16). Friedrich ist denn auch völlig empört und der Onkel lenkt schnell ein. „Dein Vater war übrigens eine gute Seele; Gott wird’s nicht so genau mit ihm nehmen. Ich hatt‘ ihn so lieb wie meinen eigenen Bruder. “
Aber man merkt auf jeden Fall, dass dieser Mann keinen guten Einfluss auf den Jungen haben kann.
S. 17-20: Friedrich zeigt sich stark und bringt Johannes mit
Am nächsten Morgen gibt es dann eine wichtige Szene, weil plötzlich ein Junge auftaucht, den Friedrichs Mutter zunächst für ihren Sohn hält. Er verhält sich aber ganz komisch, vor allem sehr scheu und ängstlich.
Dann taucht aber plötzlich auch Friedrich auf und zeigt sich ganz anders, ziemlich selbstbewusst und man hat den Eindruck, dass er jetzt über diesem anderen Jungen steht, der Johannes Niemand heißt, weil er Schweinehirt ist und keinen Vater hat.
Auf S. 18 oben wird Friedrichs neue Haltung deutlich:
„So ging er gerade auf sein verkümmertes Spiegelbild zu, seinerseits mit einer Haltung bewusster Würde und Selbständigkeit, die in diesem Augenblicke den Unterschied zwischen beiden sonst merkwürdig ähnlichen Knaben stark hervortreten ließ.
‘Da, Johannes!’ sagte er und reichte ihm mit einer Gönnermiene das Kunstwerk; ‘da ist die Violine, die ich dir versprochen habe. Mein Spielen ist vorbei, ich muß jetzt Geld verdienen.’“
Wichtig ist, dass die beiden sich sehr ähnlich sehen und Friedrichs Mutter klar wird, dass Johannes wohl ein unehelicher Sohn ihres Bruders ist. Das findet sie ganz schlimm (S. 19/20):
„Als beide Knaben fort waren, warf sich Margreth auf einen Stuhl und schlug die Hände mit dem Ausdruck des tiefsten Jammers zusammen. Ihr Gesicht war bleich wie ein Tuch. ‘Ein falscher Eid, ein / falscher Eid!’ stöhnte sie. ‘Simon, Simon, wie willst du vor Gott bestehen!’“
Halten wir fest:
In diesem zweiten Teil
ist deutlich geworden, wie gewalttätig Friedrichs Vater ist,
wie sehr seine Mutter darunter leidet, aber trotzdem aushält,
dass Friedrich eine besondere Beziehung zu seinem Vater hat, weil der ihn besser behandelt als alle anderen,
dass ihn deshalb sein Tod auch besonders schmerzt und er es schlimm findet, dass man den Toten jetzt für ein Gespenst hält,
und dass er sich deswegen sogar mit anderen Kindern prügelt und schließlich ein Einzelgänger wird,
dass sein Onkel eine sehr zwielichtige Figur ist, was man gut daran sehen kann, dass er Friedrich gleich zum Alkoholgenuss verführen will und erst schlecht über seinen Vater spricht, dann aber schnell umschwenkt, was nicht überzeugt,
dass Friedrich am Ende gewissermaßen aufsteigt und stark an Selbstbewusstsein gewinnt.
S. 21 bis S. 35: Friedrichs Aufstieg und seine Rache am Oberförster
Ab S. 21 geht es um die weiteren Veränderungen, die sich bei Friedrich zeigen, nachdem er für seinen Onkel arbeitet.
Das Ganze kann man sich auch als mp3-Datei anhören und dann direkt in der eigenen Textausgabe verfolgen:
S. 21: Ende der Träumerei bei Friedrich und Stolz seiner Mutter
S. 21: Friedrichs Veränderungen in der Zusammenarbeit mit seinem Onkel
„Von dieser Zeit an war Friedrich selten mehr zu Hause.
Simon schien alle wärmern Gefühle, deren er fähig war, dem Schwestersohn zugewendet zu haben; wenigstens vermisste er ihn sehr und ließ nicht nach mit Botschaften, wenn ein häusliches Geschäft ihn auf einige Zeit bei der Mutter hielt.
Der Knabe war seitdem wie verwandelt, das träumerische Wesen gänzlich von ihm gewichen, er trat fest auf, fing an, sein Äußeres zu beachten und bald in den Ruf eines hübschen, gewandten Burschen zu kommen.
Sein Ohm, der nicht wohl ohne Projekte leben konnte, unternahm mitunter ziemlich bedeutende öffentliche Arbeiten, z.B. beim Wegbau, wobei Friedrich für einen seiner besten Arbeiter und überall als seine rechte Hand galt; denn obgleich dessen Körperkräfte noch nicht ihr volles Maß erreicht hatten, kam ihm doch nicht leicht jemand an Ausdauer gleich.
Margreth hatte bisher ihren Sohn nur geliebt, jetzt fing sie an, stolz auf ihn zu werden und sogar eine Art Hochachtung vor ihm zu fühlen, da sie den jungen Menschen so ganz ohne ihr Zutun sich entwickeln sah, sogar ohne ihren Rat, den sie, wie die meisten Menschen, für unschätzbar hielt und deshalb die Fähigkeiten nicht hoch genug anzuschlagen wußte, die eines so kostbaren Förderungsmittels entbehren konnten.
21ff: Friedrich zwischen „Dorfelegant“ und einsamem Viehhirten
Auf den Seiten 21/22 wird dann Friedrichs Entwicklung zum „Dorfelegant“geschildert, er erwirbt sich also ein gewisses Ansehen.
„In seinem achtzehnten Jahre hatte Friedrich sich bereits einen bedeutenden Ruf in der jungen Dorfwelt gesichert, durch den Ausgang einer Wette, infolge deren er einen erlegten Eber über zwei Meilen weit auf seinem Rücken trug, ohne abzusetzen.
Indessen war der Mitgenuss des Ruhms auch so ziemlich der einzige Vorteil, den Margreth aus diesen günstigen Umständen zog, da Friedrich immer mehr auf sein Äußeres verwandte und allmählich anfing, es schwer zu verdauen, wenn Geldmangel ihn zwang, irgend jemand im Dorf darin nachzustehen.
Zudem waren alle seine Kräfte auf den auswärtigen Erwerb gerichtet; zu Hause schien ihm, ganz im Widerspiel mit seinem sonstigen Rufe, jede anhaltende Beschäftigung lästig, und er unterzog sich lieber einer harten, aber kurzen Anstrengung, die ihm bald erlaubte, seinem frühern Hirtenamte wieder nachzugehen,
was bereits begann, seinem Alter unpassend zu werden, und ihm gelegentlichen Spott zuzog, vor dem er sich aber durch ein paar derbe Zurechtweisungen mit der Faust Ruhe verschaffte.
So gewöhnte man sich daran, ihn bald geputzt und fröhlich als anerkannten Dorfelegant an der Spitze des jungen Volks zu sehen, bald wieder als zerlumpten Hirtenbuben einsam und träumerisch hinter den Kühen herschleichend, oder in einer Waldlichtung liegend, scheinbar gedankenlos und das Moos von den Bäumen rupfend“
S. 22ff: Die Bande der Blaukittel
In dieser Zeit tritt eine Bande auf, die das ziemlich normale Treiben der Dorfbewohner im Wald und auf der Jagd gewissermaßen professionell betreibt. Die Förster kämpfen vergeblich dagegen an – die Frevler sind einfach zu intelligent und vorsichtig und haben anscheinend mit den Dorfleuten nichts zu tun.
S. 23: Der Juli 1756 schicksalhafte Begegnung mit dem Oberförster – Die Beleidigung, Rache und die Folgen
In einer Nacht kommt es dann zu einer schicksalhaften Begegnung zwischen Friedrich und dem Oberförster, der die Blaukittel mit seinen Leuten jagt.
Bei dem Treffen im Wald beleidigt der Beamte Friedrich und seine Mutter:
S. 25/26: „Als einer nach dem andern im Dickicht verschwunden war, trat Brandis dicht vor den Knaben: »Friedrich,« sagte er mit dem Ton unterdrückter Wut, »meine Geduld ist zu Ende; ich möchte dich prügeln wie einen Hund, und mehr seid ihr auch nicht wert. Ihr Lumpenpack, dem kein Ziegel auf dem Dach gehört!
Bis zum Betteln habt ihr es, gottlob, bald gebracht, und an meiner Tür soll deine Mutter, die alte Hexe, keine verschimmelte Brodrinde bekommen.
Aber vorher sollt ihr mir noch beide ins Hundeloch!«
Friedrich griff krampfhaft nach einem Aste. Er war totenbleich und seine Augen schienen wie Kristallkugeln aus dem Kopfe schießen zu wollen. Doch nur einen Augenblick. Dann kehrte die größte, an Erschlaffung grenzende Ruhe zurück“.
S. 26: Wie man später erfährt, hat Friedrich sich entschieden, dem Oberförster ein die Richtung zu schicken, in der die Blaukittel aktiv sind und denen er dann auch zum Opfer fällt.
S. 28: Nachricht vom Tod des Oberförsters
S. 29/30: Johannes holt Friedrich zum Onkel – die Mutter findet das gar nicht gut, dann heißt es aber von Friedrich: „Was sein muß, schickt sich wohl“.
„Ach Gott,« seufzte die Mutter, »wenn die Kinder klein sind, treten sie uns in den Schoß, und wenn sie groß sind, ins Herz!“
S. 30ff: Die gerichtliche Untersuchung
S. 30: gerichtliche Untersuchung
S. 31: Verhör Friedrichs mit dem Trick des Geschichtsschreibers
S. 32: Einmischung des Erzählers, was den Ausgang der Untersuchung angeht:
„Denjenigen, die vielleicht auf den Ausgang dieser Begebenheit gespannt sind, muss ich sagen, dass diese Geschichte nie aufgeklärt wurde, obwohl noch viel dafür geschah und diesem Verhöre mehrere folgten. Den Blaukitteln schien durch das Aufsehen, das der Vorgang gemacht und die darauf folgenden geschärften Maßregeln der Mut genommen; sie waren von nun an wie verschwunden, und obgleich späterhin noch mancher Holzfrevler erwischt wurde, fand man doch nie Anlaß, ihn der berüchtigten Bande zuzuschreiben. Die Axt lag zwanzig Jahre nachher als unnützes Corpus delicti im Gerichtsarchiv, wo sie wohl noch jetzt ruhen mag mit ihren Rostflecken. Es würde in einer erdichteten Geschichte unrecht sein, die Neugier des Lesers so zu täuschen. Aber dies alles hat sich wirklich zugetragen; ich kann nichts davon oder dazutun.“
Hier spielt Annette von Droste-Hülshoff allerdings ein bisschen rum: Denn wenn es auch Ereignisse gegeben hat, die als Vorlage gedient haben, ist die dichterische Gestaltung natürlich ganz ihre Sache.
S. 32/33: Friedrich wird von seinem Onkel von der Beichte abgehalten – bezeichnenderweise mit einem falschen Zitat aus der Bibel:
„Friedrich, wohin?“ flüsterte der Alte. –
„Ohm, seid Ihr’s? Ich will beichten gehen.“ –‘
„Das dacht‘ ich mir; geh in Gottes Namen, aber beichte wie ein guter Christ.“ –
„Das will ich,“ sagte Friedrich. –
„Denk an die zehn Gebote: du sollst kein Zeugnis ablegen gegen deinen Nächsten.“ – »Kein falsches!« –
„Nein, gar keines; du bist schlecht unterrichtet; wer einen andern in der Beichte anklagt, der empfängt das Sakrament unwürdig.“
„Ich habe schwere Schuld,“ seufzte Friedrich, „dass ich ihn den unrechten Weg geschickt – obgleich – doch, dies hab‘ ich nicht gedacht, nein, gewiss nicht. Ohm, ich habe Euch ein schweres Gewissen zu danken.“
„So geh, beicht!“ flüsterte Simon mit bebender Stimme; „verunehre das Sakrament durch Angeberei und setze armen Leuten einen Spion auf den Hals, der schon Wege finden wird, ihnen das Stückchen Brod aus den Zähnen zu reißen, wenn er gleich nicht reden darf – geh!“
Friedrich stand unschlüssig; er hörte ein leises Geräusch; die Wolken verzogen sich, das Mondlicht fiel wieder auf die Kammertür: sie war geschlossen. Friedrich ging an diesem Morgen nicht zur Beichte. –
—
Auswertung der Textstelle:
Ganz offensichtlich hat sein Onkel was mit den Blaukitteln zu tun und Friedrich hat den Oberförster wohl in die Richtung geschickt, in der er dann ein Opfer der Blaukittel wurde.
S. 35: Hinweis auf die weitere Entwicklung Friedrichs
„Der Eindruck, den dieser Vorfall auf Friedrich gemacht, erlosch leider nur zu bald. Wer zweifelt daran, daß Simon alles tat, seinen Adoptivsohn dieselben Wege zu leiten, die er selber ging? Und in Friedrich lagen Eigenschaften, die dies nur zu sehr erleichterten: Leichtsinn, Erregbarkeit, und vor allem ein grenzenloser Hochmut, der nicht immer den Schein verschmähte, und dann alles daran setzte, durch Wahrmachung des Usurpierten möglicher Beschämung zu entgehen. Seine Natur war nicht unedel, aber er gewöhnte sich, die innere Schande der äußern vorzuziehen. Man darf nur sagen, er gewöhnte sich zu prunken, während seine Mutter darbte.
Diese unglückliche Wendung seines Charakters war indessen das Werk mehrerer Jahre“.
S. 36-47: Friedrichs zweite und noch größere Schuld
Hier kann man sich das Folgende schon mal „auf die Ohren legen“ und sich direkt Notizen in der eigenen Textausgabe machen:
Schon einmal ist Friedrich in eine schlimme Situation geraten ist bzw. sich selbst dort hineingebracht hat, indem er den Oberförster – wenn auch vielleicht nicht ganz absichtlich – in den Tod geschickt hat.
Ab S. 36 wird dann ein zweiter Vorfall geschildert, in dem Friedrich wieder sein ausgeprägtes Ehrgefühl an eine Grenze führt, die er diesmal wohl auf noch eindeutigere Weise überschreitet.
Beim Oberförster wollte er den wohl nur in Schwierigkeiten bringen, aber nicht seinen Tod – denn in aller Regel traten ja bei den Gefechten mit den Holzfrevlern zwar Verletzungen auf, aber es gab keine Toten.
Diesmal aber fühlt sich Friedrich in aller Öffentlichkeit herabgesetzt, auch wenn er selbst daran schuld ist – und bald gibt es einen zweiten Toten – und diesmal muss Friedrich verschwinden.
Der Eklat auf der Hochzeitsfeier
Zu dem Vorfall, der Friedrichs Leben endgültig aus der Bahn wirft, kommt es vier Jahre nach dem Tod des Oberförsters im Jahre 1760.
Es hat eine gute Ernte gegeben, alle sind zufrieden und ein Paar heiratet.
36/37: „Friedrich stolzierte umher wie ein Hahn, im neuen himmelblauen Rock, und machte sein Recht als erster Elegant geltend. Als auch die Gutsherrschaft anlangte, saß er gerade hinter der Baßgeige und strich die tiefste Saite mit großer Kraft und vielem Anstand.“
Kurz darauf: Ein beliebter Tanz „ward gespielt und Friedrich machte Sätze vor den Augen seiner Herrschaft, daß die Kühe an der Tenne die Hörner zurückzogen und Kettengeklirr und Gebrumm an ihren Ständern herlief. Fußhoch über die andern tauchte sein blonder Kopf auf und nieder, wie ein Hecht, der sich im Wasser überschlägt; an allen Enden schrien Mädchen auf, denen er zum Zeichen der Huldigung mit einer raschen Kopfbewegung sein langes Flachshaar ins Gesicht schleuderte.“
Dann kommt es zu einer ersten Peinlichkeit, als Johannes dabei erwischt wird, wie ihm gestohlene Butter aus aus der Tasche fließt.
Noch kann Friedrich die Sache regeln, indem er vortritt und den Übeltäter „Lumpenhund“ nennt:
„ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling; dann stieß er ihn an die Tür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg.“
Dann aber wird Friedrich seine Vorstellung von Ehre und Ansehen zum Verhängnis:
„Er kehrte niedergeschlagen zurück; seine Würde war verletzt, das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele,
ob er sich gleich durch einen tapfern Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte – es wollte nicht mehr recht gehen. Er war im Begriff, sich wieder hinter die Baßviole zu flüchten;
doch zuvor noch ein Knalleffekt: er zog seine silberne Taschenuhr hervor, zu jener Zeit ein seltener und kostbarer Schmuck. ‚Es ist bald zehn,‘ sagte er. ‚Jetzt den Brautmenuett! Ich will Musik machen.‘
‚Eine prächtige Uhr!‘ sagte der Schweinehirt und schob sein Gesicht in ehrfurchtsvoller Neugier vor. –
‚Was hat sie gekostet?‘ rief Wilm Hülsmeyer, Friedrichs Nebenbuhler. –
‚Willst du sie bezahlen?’“ fragte Friedrich. –
‚Hast du sie bezahlt?‘ antwortete Wilm. Friedrich warf einen stolzen Blick auf ihn und griff in schweigender Majestät zum Fidelbogen. –
‚Nun, nun,‘ sagte Hülsmeyer, „dergleichen hat man schon erlebt. Du weißt wohl, der Franz Ebel hatte auch eine schöne Uhr, bis der Jude Aaron sie ihm wieder abnahm.‘
Friedrich antwortete nicht, sondern winkte stolz der ersten Violine, und sie begannen aus Leibeskräften zu streichen.“
Noch größere Demütigung für Friedrich und sein Abgang
39/40: Kurzes Zwischenspiel: Die arme Braut wird geschmückt und muss sich in ihr Schicksal fügen.
39: Als sie wieder in den Tanzsaal zurückkehrt, ist Friedrich nicht mehr da. Was passiert ist, wird rückblickend berichtet:
„Eine große, unerträgliche Schmach hatte ihn getroffen, da der Jude Aaron, ein Schlächter und gelegentlicher Althändler aus dem nächsten Städtchen, plötzlich erschienen war, und nach einem kurzen, unbefriedigenden Zwiegespräch ihn laut vor allen Leuten um den Betrag von zehn Talern für eine schon um Ostern gelieferte Uhr gemahnt hatte.#
Friedrich war wie vernichtet fortgegangen und der Jude ihm gefolgt, immer schreiend: ‚O weh mir! Warum hab‘ ich nicht gehört auf vernünftige Leute! Haben sie mir nicht hundertmal gesagt, Ihr hättet all Eur Gut am Leibe und kein Brod im Schranke!‘ –
Die Tenne tobte von Gelächter; manche hatten sich auf den Hof nachgedrängt. – ‚Packt den Juden! Wiegt ihn gegen ein Schwein!‘ riefen einige; andere waren ernst geworden. –
‚Der Friedrich sah so blaß aus wie ein Tuch,‘ sagte eine alte Frau, und die Menge teilte sich, wie der Wagen des Gutsherrn in den Hof lenkte.“
40: Als der Gutsherr nach Hause kommt, gibt es einen ersten Hinweis von seinen Knechten, die das Gespenst von Friedrichs Vater angeblich gehört haben.
40/41: Drei Tage später gibt es einen ziemlichen Sturm und dann taucht die Frau des Juden Aaron auf, die ihren Mann erschlagen aufgefunden hat.
Man hat dann gleich Friedrich im Verdacht – aber der ist rechtzeitig verschwunden, zusammen mit seinem Johannes.
Der Gutsherr findet allerdings bei der Hausdurchsuchung Papiere, die einen Kontakt mit den Blaukitteln nachweisen könnten.
45/46: Dieser Teil der Geschichte endet dann damit, dass viele andere Juden zusammenkommen, um die Buche zu kaufen, unter der Aaron tot aufgefunden worden ist. Sie bringen dort ein Schild an, auf dem in hebräischer Sprache und Schrift steht: „Wenn du dich diesem Orte näherst, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.“
Hinzu kommt dann noch eine Bemerkung des Gutsherrn, dass er die Information bekommen hat, dass ein anderer den Mord an einem Aaron zugegeben hat, bevor er sich erhängt hat. So bleibt offen, ob er der Täter ist. Der Gutsherr will das aber gerne glauben und kümmert sich später ja auch um Friedrichs Mutter.
Im Schlussteil der Novelle wird es noch mal richtig spannend.
Hier kann man sich das Folgende schon mal „auf die Ohren legen“ und sich direkt Notizen in der eigenen Textausgabe machen:
Der große Zeitsprung von 28 Jahren
Nach entscheidenden Ereignis, nämlich dem Tod des Juden, an dem Friedrich zunächst die Schuld zu haben scheint, er dann aber durch den Gutsherrn doch erstaunlich weitgehend entlastet wird, macht die Novelle einen großen Zeitsprung über 28 Jahre hin weg.
Trickstelle 1: Die Identität des Ankömmlings
Dann kommt wieder Bewegung in die alte Geschichte, weil ein alter, vom Schicksal schwer gezeichneter Mann in das Dorf kommt, den alle für Friedrichs Gehilfen Johannes halten, was dieser auch zu bestätigen scheint.
In der Novelle wird es ziemlich geschickt so formuliert:
S. 49: „Der Heimgekehrte ward als Johannes Niemand erkannt, und er selbst bestätigte, daß er derselbe sei, der einst mit Friedrich Mergel entflohen.“
Trickstelle Nr. 2: Frage nach Friedrich
Und nachdem der Ankömmling von seinen Abenteuern im Krieg und in türkischer Gefangenschaft bzw. Sklaverei berichtet hat, setzt er ein zweites Zeichen, was seine Identität angeht:
S. 50: „Und was ist aus Mergel geworden? Ihr seid doch zusammen fortgelaufen?“ – „Freilich wohl; aber ich weiß nicht, wo er ist, wir sind voneinander gekommen. Wenn Ihr an ihn denkt, betet für ihn,“ fügte er hinzu, „er wird es wohl nötig haben.“
Trickstelle Nr. 3: Die Konfrontation mit der angeblichen Unschuld Friedrichs
Die nächste spannende Stelle ist dann, als der Ankömmling erfährt, dass mein Friedrich gar nicht mehr für schuldig hält:
S. 50: „Man fragte ihn, warum Friedrich sich denn aus dem Staube gemacht, da er den Juden doch nicht erschlagen? – „Nicht?“ sagte Johannes und horchte gespannt auf, als man ihm erzählte, was der Gutsherr geflissentlich verbreitet hatte, um den Fleck von Mergels Namen zu löschen. „Also ganz umsonst,“ sagte er nachdenkend, „ganz umsonst so viel ausgestanden!“
S. 54: Der Hinweis auf das Brederholz
S. 54: „Nach einiger Zeit blieb Johannes auf einem Botengange über Gebühr lange aus. Die gute Frau von S. war sehr besorgt um ihn und wollte schon Leute aussenden, als man ihn die Treppe heraufstelzen hörte. – „Du bist lange ausgeblieben, Johannes,“ sagte sie; „ich dachte schon, du hättest dich im Brederholz verirrt.“ – „Ich bin durch den Föhrengrund gegangen.“ – „Das ist ja ein weiter Umweg; warum gingst du nicht durchs Brederholz?“ – Er sah trübe zu ihr auf: „Die Leute sagten mir, der Wald sei gefällt, und jetzt seien so viele Kreuz- und Querwege darin, da fürchtete ich, nicht wieder hinauszukommen. Ich werde alt und du selig,“ fügte er langsam hinzu. – „Sahst du wohl,“ sagte Frau von S. nachher zu ihrem Manne, „wie wunderlich und quer er aus den Augen sah? Ich sage dir, Ernst, das nimmt noch ein schlimmes Ende.“
Hinweis: „Johannes“ hat Sachen von Friedrich
Einige Zeit später kommt Johannes nicht wieder nach Hause:
S. 56 „Der Baron war fast ebenso beängstigt wie sie. Seine Unruhe trieb ihn sogar nach Johannes‘ Wohnung, obwohl er sicher war, ihn dort nicht zu finden. Er ließ sich die Kammer des Verschollenen aufschließen. Da stand sein Bett noch ungemacht, wie er es verlassen hatte; dort hing sein guter Rock, den ihm die gnädige Frau aus dem alten Jagdkleide des Herrn hatte machen lassen; auf dem Tische ein Napf, sechs neue hölzerne Löffel und eine Schachtel. Der Gutsherr öffnete sie; fünf Groschen lagen darin, sauber in Papier gewickelt, und vier silberne Westenknöpfe; der Gutsherr betrachtete sie aufmerksam. „Ein Andenken von Mergel,“ murmelte er und trat hinaus, denn ihm ward ganz beengt in dem dumpfen, engen Kämmerchen.“
Selbstmord Friedrich Mergels
Vierzehn Tage später wird er vom Sohn des Oberförsters gefunden.
S. 57/58: „Hiebei sah Brandis, wie er so auf dem Rücken lag, in die Höhe, sprang dann mit einem Satze auf und wie besessen ins Gestrüpp hinein. Totenbleich kam er auf dem Schlosse an: in der Judenbuche hänge ein Mensch; er habe die Beine gerade über seinem Gesichte hängen sehen. – „Und du hast ihn nicht ab geschnitten, Esel?“ rief der Baron. – „Herr,“ keuchte Brandis, „wenn Ew. Gnaden dagewesen wären, so wüßten Sie wohl, daß der Mensch nicht mehr lebt. Ich glaubte anfangs, es seien die Pilze.“ Dennoch trieb der Gutsherr zur größten Eile und zog selbst mit hinaus.
Sie waren unter der Buche angelangt. „Ich sehe nichts,“ sagte Herr von S. – „Hierher müssen Sie treten, hierher, an diese Stelle!“ – Wirklich, dem war so: der Gutsherr erkannte seine eigenen abgetragenen Schuhe. – „Gott, es ist Johannes! – Setzt die Leiter an! – So – nun herunter! – Sacht, sacht! Laßt ihn nicht fallen! – Lieber Himmel, die Würmer sind schon daran! Macht dennoch die Schlinge auf und die Halsbinde.“ – Eine breite Narbe ward sichtbar; der Gutsherr fuhr zurück. – „Mein Gott!“ sagte er; er beugte sich wieder über die Leiche, betrachtete die Narbe mit großer Aufmerksamkeit und schwieg eine Weile in tiefer Erschütterung. Dann wandte er sich zu den Förstern: „Es ist nicht recht, daß der Unschuldige für den Schuldigen leide; sagt es nur allen Leuten: der da“ – er deutete auf den Toten – „war Friedrich Mergel.“ – Die Leiche ward auf dem Schindanger verscharrt.
Dies hat sich nach allen Hauptumständen wirklich so begeben im September des Jahrs 1788. – Die hebräische Schrift an dem Baume heißt:
S. 58: „Wenn du dich diesem Orte nahest, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.““
Fazit:
Hier wird deutlich, dass Friedrich letztlich doch Opfer seiner eigenen Tag geworden ist. Er hat sich an der Buche genauso aufgehängt wie der Mann, der einen Mann getötet hat, der auch Aaron hieß, aber wohl nicht war.
Die Novelle ist sehr geschickt aufgebaut im Schlussteil, so dass die Spannung der Ungewissheit sich erst am Ende auflöst und sich bis dahin auch erhält.
Interessant ist, dass das Wort „totenbleich“ nur zweimal in der Novelle vorkommt, einmal an dieser Stelle beim Sohn des Försters und dann auf S. 25, wo Friedrich totenbleich wird, bevor er den Vater des Försters in den Tod schickt. Man sieht, dass die Novelle auch diese erste Untat hier am Ende gewisserweise mit gesühnt sehen will.
Weiterführende Hinweise
Die Gesamtübersicht über unsere „Hördateien“ zur Judenbuche findet sich hier.
Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.
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