Analyse einer Dramenszene: Überblick

Was versteht man unter einem Drama und einer Szene?

Ein Drama ist ein Stück, das auf der Bühne aufgeführt werden kann oder meistens auch wird.

Das Besondere: Es gibt normalerweise keinen Erzähler, sondern nur die Figuren, die miteinander sprechen und zwischendurch auch ein bisschen handeln.

Das Zuschlagen einer Tür wäre etwas, was auf einer Bühne ganz normal die Gefühle der Figur und ggf. das Gesagte unterstreicht.

Eine Prügelei allerdings ist nicht theatertypisch.

Eine Szene ist ein Teil eines Dramas – meistens dadurch bestimmt, dass wichtige Figuren die Bühne betreten oder verschwinden. Damit ändert sich die Situation auf der Bühne natürlich.

Solche Szenen gibt man in Deutscharbeiten gerne als Analyse-Aufgabe, weil sie in sich mehr oder weniger geschlossen sind.

Das Schaubild macht deutlich, dass man sich als Schüler meistens mit der Buchversion von Dramen links beschäftigt.

Gegeben ist dann aus den häufig 5 Akten  eine ganz bestimmte Szene, die wir hier rot markiert haben.

Es gibt allerdings auch Dramen, die weniger oder gar keine Akteinteilung haben, sondern zum Beispiel „Bilder“ präsentieren. Die funktionieren dann aber genauso wie Szenen.

Wie analysiert man eine Dramenszene?

  • Die gute Nachricht:
    Eine Dramenszene analysiert beziehungsweise interpretiert man genauso wie ein Gedicht oder eine Kurzgeschichte.

Das Bild zeigt die Besonderheiten einer Dramenszene im Hinblick auf die Analyse. Die liegt vor allem im Konflikt und der zugehörigen Figurenkonstellation. Wie bei einer Romanepisode gibt es zudem die Notwendigkeit der Einordnung in den Zusammenhang des gesamten Werkes. Andere Schritte der Analyse sind genauso wie bei einer Kurzgeschichte oder einem Gedicht.

Man sieht hier sehr gut, was bei der Analyse einer Dramenszene genauso ist wie bei einer Kurzgeschichte oder einem Gedicht (der untere Bereich).

Das Besondere ist der dramatische Konflikt, der zwischen Figuren auf einer Bühne ausgetragen wird – in der Regel ohne Erzähler o.ä.

Ein Punkt ist ähnlich wie bei einer Roman-Episode – nämlich die Notwendigkeit der Beschreibung des Werk-Kontextes.

  • Was das Besondere bei der Analyse einer Dramenszene ist:
    Natürlich gibt es ein paar Besonderheiten, die mit der Art des Textes zusammenhängen.

    • Zum einen handelt es sich eben um einen Auszug aus einem Theaterstück, d.h.: es gibt keinen Erzähler, sondern nur Figurenrede mit Regieanweisungen, damit man weiß, wie man das auf einer Bühne spielen könnte oder sollte.
    • Die zweite Besonderheit ist, dass es sich um einen Auszug aus einem größeren Werk handelt. Das gibt es aber wiederum genauso bei einer Episode aus einem Roman zum Beispiel.
  • D.h. die Analyse einer Dramenszene erfolgt in den folgenden Schritten:
    Wir geben hier erst mal nur einen Überblick und gehen in eigenen Beiträgen auf die jeweiligen Punkte ein.

    • 1. Einleitungssatz mit Angabe des Themas

    • 2. Einordnung in den Zusammenhang – vor allem: Welchen Stand hat der Konflikt erreicht, der zu jedem Drama gehört – und welche Elemente der „Vorgeschichte“ spielen in dieser Szene eine Rolle?
    • 3. Analyse der dramatischen Entwicklung in der Szene
      dabei ggf. eingehen auf die Figurenkonstellation
      aber auch schon besondere sprachliche oder andere Mittel
    • 4. Zusammenfassung der inhaltlichen Aussagen:
      (Intentionalität = „Absicht“ des Textes = das, worauf er hinausläuft)
      „Die Szene zeigt / macht deutlich …“
      (und dann möglichst differenziert, d.h. in einzelne Teilpunkte auseinandergezogen)
    • 5. Künstlerische Unterstützung der inhaltlichen Aussagen
      Also nicht einfach Mittel auflisten, sondern sie auf den Inhalt bzw. die Aussagen beziehen
    • 6. Gesamteinschätzung der Bedeutung der Szene
      • entweder: Was bedeutet sie für die Gesamtentwicklung
        Interpreten-Perspektive (der kennt bereits das ganze Stück)
      • oder: Welche Konsequenzen, Möglichkeiten ergeben sich für die weitere Entwicklung (hierbei geht man davon aus, dass für die Figuren in der Szene ja die weitere Entwicklung nicht schon bekannt ist)
        Figuren-Perspektive
    • 7. Sinnpotenzial der Szene
      Was kann man mit ihr (vor allem heute noch) anfangen?

Überblick über die Teile dieses Kurses

Diese Übersicht haben wir ausgelagert auf die folgende Seite:
https://textaussage.de/schnellkurs-szenenanalyse-das-besondere-am-drama-und-an-den-szenen

Weitere Infos, Tipps und Materialien

https://textaussage.de/weitere-infos

 

Szenenanalyse: Einleitung und Thema

Die Notwendigkeit einer Einleitung mit Angabe des Themas

Wie bei der Analyse eines Gedichtes oder einer Kurzgeschichte muss man in einer Analyse zunächst einen Einleitungssatz formulieren.

Vorschlag, ein „Formular“ zu verwenden

Bei dem kann man eine Art „Formular“ verwenden. Das könnte etwa so aussehen – wobei wir von Schillers „Wilhelm Tell“ ausgehen. Die einzelnen Elemente muss man dann durch das austauschen, was man selbst vorfindet:

  • Bei dem vorliegenden Text
  • handelt es sich um die 1. Szene des II. Aktes
  • in Schillers Drama
  • „Wilhelm Tell“.
  • Insgesamt geht es in dem Drama um den Freiheitskampf der Schweizer gegen die Unterdrückung durch die Österreicher.
  • Thema der Szene ist der Zusammenstoß von verschiedenen Vorstellungen im Hinblick auf den Freiheitskampf im schweizerischen Adel.

Tipps zum Finden und Formulieren des Themas

Beim Thema geht es um eine Problem- oder Fragestellung, die die Szene beherrscht.
Man findet sie, indem man sich die Szene erst mal genau anschaut und dann überlegt, um welche Frage, welches Problem geht es hier eigentlich.

Man muss unbedingt unterscheiden zwischen der Gesamtthematik des Dramas – die kann man sich schon bei der Vorbereitung auf eine Klausur klar machen und einprägen.

Davon zu unterscheiden ist das spezielle Thema der konkreten Szene. Auf jeden Fall ist es gut, wenn man eine Beziehung herstellt zwischen dem allgemeinen Thema und dem speziellen Thema (siehe oben).

Der spezielle Tipp: Vom Gesamt-Thema zum Szenen-Thema

Zu unterscheiden ist ja das Gesamt-Thema des Dramas, das man vor einer Klausur sich schon klarmachen und dann „im Kopf“ mitnehmen kann, vom Thema der Szene.

Auch dort geht es um eine Frage- oder Problemstellung, die man genauso ermitteln und formulieren kann wie das Thema des gesamten Werkes – nur eben spezialisiert auf die besondere Szene.

Sehr elegant ist es natürlich, in der Einleitung zu einer Szenenanalyse vom Thema des Werkes zum Thema der Szene überzuleiten.

Beispiel:

In Büchners 1836/1837 geschriebenem und 1879 veröffentlichten Dramenfragment „Woyzeck“ geht es um die Unterdrückung und Ausbeutung eines Soldaten, die schließlich in einem Mord endet. Wie der Umgang seiner Vorgesetzten mit Woyzeck konkret aussieht, lässt sich sehr gut an der vorliegenden Szene mit dem Hauptmann verdeutlichen. Schwerpunkt der Szene ist die spezielle Frage der Möglichkeiten des Menschen, gut zu sein bzw. sich moralisch zu verhalten.

Und dann kann man direkt mit der Analyse weitermachen.

Weitere Infos

Unser Lernkurs zur Szenenanalyse ist komplett zu erreichen über:
https://wvm.schnell-durchblicken3.de/category/szenenanalyse/

Weitere Infos und Materialien zu Büchners Woyzeck finden sich in unserem alphabetischen Register auf der Seite:
https://schnell-durchblicken3.de/index.php/uebersichten/alphabetische-uebersicht-ueber-die-infos-und-materialien/202-w-alphabetische-uebersicht

Dramenszene: Voraussetzungen klären – in den Zusammenhang einordnen

Da eine Dramenszene ein Ausschnitt aus einem größeren Werk ist, muss man natürlich erst mal den Zusammenhang klären.

In gewisser Weise hat man das schon im Einleitungssatz getan, wenn man dort erklärt:
„Im Folgenden wird die 4. Szene des I. Aktes analysiert.“

Natürlich ist das nur ein erster Ansatz, denn es wird ja nicht mal darauf hingewiesen, wie viele Akte das Stück insgesamt hat.
Außerdem fehlt natürlich jede Einordnung in den thematischen Zusammenhang.

Warnung vor dem größten Fehler

Wenn man eine Szene nun auch in den Zusammenhang einordnen will, besteht der größte Fehler eigentlich darin, alles vorzustellen, „was bisher geschah“.

Das kennt man ja von Fernsehserien – und da ist es auch sehr vernünftig, jemanden, der die ersten Folgen nicht gesehen hat, möglichst zügig auf den aktuellen Stand zu bringen.

Aber auch da macht man in der Regel etwas sehr richtig: Man fasst nicht alles in gleicher Breite zusammen, sondern arbeitet genau auf den Schluss der letzten Szene hin. Denn dort hat man ja häufig einen „Cliffhanger“, d.h. da hängt im übertragenen Sinne wirklich einer „am Felsenrand“ und kann jederzeit abstürzen. Oder allgemeiner: Es ist gerade eine interessante Stelle – und man hat unterbrochen, damit möglichst viele Leute bei der nächsten Folge wieder einschalten.

Bei einer Dramenszene kann das aber anders sein: Da geht nicht eine direkt aus der vorangehenden hervor. Deshalb muss man da einen anderen Weg wählen.

Die richtigen „Voraussetzungen“: Was man wissen muss…

Besser ist es, wenn man sich die aktuelle Szene genauer anschaut und dann das zusammenstellt, was man wissen bzw. beachten sollte, um die aktuelle Szene zu verstehen.

Wir sprechen hier gerne von den „Momenten“, das kennt man aus der Physik (Drehmoment). Gemeint sind Kräfte, die in die aktuelle Szene hineinwirken, dort gebremst oder beschleunigt werden.

Machen wir uns das mal am Beispiel der oben schon genannten 4. Szene des I. Aktes von „Wilhelm Tell“ deutlich.

Schritt 1: Worum geht es in der aktuellen Szene?

  • Es geht um den jungen Melchthal, der auch flüchten muss. Ihm sollten von einem Boten des Vogts seine besten Ochsen weggenommen werden. Er hat sich gewehrt, dabei den Boten verletzt und muss nun die Rache der Obrigkeit fürchen.
  • Er ist jetzt im Haus des Schwiegervaters von Wilhelm Tell, Walter Fürst.
  • Hinzu kommt Stauffacher, den man schon aus der 2. und 3. Szene kennt – und der erzählt, während Melchthal sich im Nachbarraum versteckt hat, so ganz nebenbei von der grausamen Folter, die Melchthals Vater erleiden musste.
  • Der junge Mann ist völlig empört und will sofort los, um seinen Vater zu rächen.
  • Es gelingt den beiden älteren Männern, Melchthal zu beruhigen, indem sie versprechen, gemeinsam einen Plan zum Kampf gegen die Österreicher zu entwickeln, was sie dann auch tun.

Zusammenstellung der „Voraussetzungen“ dieses Inhalts

  • Jetzt geht man einfach die früheren Szenen durch und prüft, was mit dieser Szene was zu tun hat.
  • Szene 1:
    • Ein anderer Mann ist verfolgt worden, weil er sich auch gewehrt hat. Da hat man schon mal ein weiteres Beispiel für Unterdrückung.
    • Dieser Mann ist durch Wilhelm Tell im Rahmen einer Einzelaktion gerettet worden (Fahrt über den stürmischen See).
  • Szene 2:
    • Stauffacher ist vom Vogt bedroht worden (wieder Unterdrückung)
    • Und dann von seiner Frau dazu gebracht worden, sich mit anderen gegen die Unterdrückung zu verbinden.
  • Szene 3:
    • Hier geht es um den Bau einer „Zwingburg“, mit der die Unterdrückung auf Dauer gesichert werden kann (also: Allgemeine Bedrohung gegenüber den Einzel-Bedrohungen bis jetzt).
    • Außerdem versucht Stauffacher hier Tell zum Mitmachen beim Widerstand zu bewegen. Der ist aber nicht bereit, mitzuplan, deutet aber an, dass er später eine Aufgaben übernehmen würde. (Das ist gewissermaßen nur ein halber Erfolg und zeigt die Schwierigkeiten bei den Aufstandsvorbereitungen)
    • Außerdem soll demnächst sogar ein Hut gegrüßt werden – ist für I,4 erst mal ohne Bedeutung, zeigt aber auch die Zunahme der Unterdrückung.

Kurzfassung der Voraussetzungen

  • In den Szenen 1-3 des I. Aktes ist deutlich geworden, dass es immer wieder Übergriffe der Österreicher geht
  • und dass auf Dauer ein System errichtet werden soll, gegen das man sich kaum noch wehren kann.
  • Deshalb ist wichtig, dass die Frau von Stauffacher ihren Mann ermutigt, sich mit anderen zu verbünden.
  • Das gelingt ihm bei Tell zwar nur halb, aber immerhin will dieser besondere Mann im entscheidenden Moment mitmachen.
  • Jetzt ist die Frage, wie das mit dem Aufbau von Widerstand weitergehen wird.
    (Und genau darauf gibt Szene I,4 eine Antwort, aber noch nicht die komplette, wie man sehen wird).

Einordnung in den gesamten Werk-Zusammenhang

  • Man muss unterscheiden zwischen der Klärung der Voraussetzungen,
  • also der Dinge aus früheren Szenen, die in die aktuelle hineinspielen oder -wirken,
  • und der Einordnung in den Gesamtzusammenhang des Dramas.
  • Wir würden vorschlagen, dass mit dem Schluss der Analyse zu verbinden. Denn dann hat man auch die aktuelle Szene analysiert und kann sich gut über ihre Bedeutung für das ganze Drama äußern.
  • Und damit ist man dann auch beim Gesamtzusammenhang.
  • Uns scheint der am besten am Schluss einer Szenen-Analyse aufgehoben.

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Inhalt einer Dramenszene analysieren

Wie analysiert man den Inhalt einer Dramenszene?

Der Normalfall: „Lineare“ Analyse: nacheinander

  • Am besten ist, wenn man sich bei einer Dramenszene klar auf den Konflikt konzentriert.
  • Nehmen wir als Beispiel die 2. Szene des I. Aktes aus Schillers „Wilhelm Tell“.
    • Da geht es allgemein um den Freiheitskampf der Schweizer gegen die österreichischen Unterdrücker.
    • Das ist das allgemeine Thema des Dramas.
    • Wenn man sich die Szene einmal etwas genauer ansieht, dann geht in ihr um das Thema: „Wie soll man sich als Schweizer angesichts dieser Unterdrückung verhalten?“
    • Außerdem hat man ja die Voraussetzungen der Szene geklärt, nämlich die Verfolgung und Flucht eines Schweizers (Baumgarten) in der ersten Szene.
    • Als Ausgangspunkt ergibt sich
      • Unterdrückung
      • Flucht, Lebensgefahr
      • Rettung durch Wilhelm Tell
      • Rache-Zerstörungen der österreichischen Verfolger
  • Jetzt kann man fortlaufend prüfen, wie sich in der Szene die Konfliktsituation ändert.
    1. Am Anfang wird ein Herr Stauffacher von einem Herrn Pfeiffer aufgefordert, sich Österreich nicht zu unterwerfen.
    2. Anschließend fragt seine Frau Gertrud den Stauffacher, warum er so traurig ist, wenn doch eigentlich alles gut läuft bei ihnen.
    3. Daraufhin erzählt Stauffacher ihr, wie der österreichische Vogt letztens vorbeigeritten ist und ihm gesagt hat, er hätte für einen Bauern ein viel zu schönes Haus. Und darin sieht er eine versteckte Drohung.
    4. Anschließend erklärt Gertrud ihrem Mann, warum der Vogt ihn nicht leiden kann,
      1. einmal wegen seines Widerstandes gegen die Österreicher
      2. und dann, weil er selbst zwar adlig ist, aber keinen eigenen Besitz hat wie der wohlhabende Schweizer Bauer.
    5. Auf die Frage ihres Mannes, was er denn tun solle, ermutigt Gertrud ihn, sich mit anderen zusammenzuschließen und Widerstand vorzubereiten.
    6. Als Stauffacher auf die Gefahren eines Aufstandes verweist, macht Gertrud ihm klar, dass ihre Lage nur schlechter werden kann.
    7. Das überzeugt Stauffacher und er macht sich auf den Weg, um Verbündete zu finden.
  • Am Ende erscheint Tell mit dem Flüchtling, was zur weiteren Entwicklung überleitet.

Variante: Figurenkonstellation

Natürlich kann man diese Szene auch unter dem Gesichtspunkt der Figuren und ihres Verhältnisses zueinander analysieren, das ist aber für den Anfang nicht so günstig, weil es hier stark auf die Abläufe im Gespräch ankommt.

Man sieht hier sehr gut, dass eine Szenenanalyse in einem Drama manchmal fast komplett zu einer Analyse der Kommunikation zwischen Figuren wird.

Wie fasst man den Inhalt einer Dramenszene zu Aussagen zusammen? (Intentionalität)

Das Geheimnis der „Intentionalität“

Unter Intentionalität versteht man nichts anderes als die Richtungen, die sich in einem Text ergeben. Man kann auch von „Aussagen“ sprechen.

Der Begriff kommt von dem lateinischen Wort „intendere“ – und dieses Verb bedeutet soviel wie „anspannen“, aber auch „steigern, Vermehren“ oder „richten“ (zum Beispiel einen Speer).

Das heißt also: Je länger man einen Text liest, desto mehr Signale findet man, die in eine bestimmte Richtung gehen und sich somit zu „Aussagen“ bündeln lassen. Die sind gewissermaßen die „Zielrichtungen“ des Textes. Man kann ja auch sagen: „Dieses Schreiben zielt darauf ab …“

Beispiel für „Zielrichtungen“ in einer Szene

Wir nehmen wieder die schon beim Inhalt verwendete Szene I,2 in Schillers „Wilhelm Tell“.

Am besten setzt man den Satz fort (möglichst in verschiedene Richtungen):

Die Szene zeigt:

  1. wie sehr ein freier Schweizer wie Stauffacher sich von einem kaiserlichen Beamten bedroht fühlen muss,
  2. dass der Grund dafür zum einen in seinem Widerstand gegen die österreichische Unterwerfungspolitik liegt,
  3. zum anderen aber auch persönliche Motive bei einem Beamten vorliegen können
  4. dass die Frau Stauffachers sehr viel mehr Überblick, Verständnis, vor allem aber auch Mut zeigt
  5. und dass es ihr gelingt, ihren Mann zu überzeugen, sich mit anderen gegen Österreich zu verbünden,
  6. dass am Ende aber die traditionelle Rollenverteilung erhalten bleibt: Der Mann ist gewissermaßen für Verteidigung und Außenpolitik zuständig, die Frau für Familie und Haushalt, darüber hinaus auch für Soziales (gegenüber fremden Besuchern).

Weiterführende Hinweise

Diese Bündelung von Textaussagen zu „Aussagen“ kann man bei jeder beliebigen Szene selbst mal ausprobieren. Unser Trick mit der Satzeinleitung: „Die Szene zeigt …“ dürfte dabei hilfreich sein.

Wer einfach mal schauen will, wie wir selbst das gemacht haben, kann sich auf der entsprechenden Seite in unserem alphabetischen Verzeichnis zum Thema „Drama“ umschauen:

https://schnell-durchblicken3.de/index.php/uebersichten/alphabetische-uebersicht-ueber-die-infos-und-materialien/183-d-alphabetische-uebersicht

Hilfreich können ebenfalls unsere Videos auf Youtube sein: Dort gibt es eine Playliste zum Thema „Szenenanalyse“:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLNeMBo_UQLv3JwbEhBvxNFd_BBZpwVCM0

Wer unser Beispiel „Wilhelm Tell“ noch stärker nachvollziehen möchte, den verweisen wir auf eine Seite, in der wir die Szenen ausführlich vorstellen und erklären – sogar mit mp3-Dateien:
https://www.relevantia.de/neu-mp3-dateien

Dürrenmatt, „Besuch der alten Dame“ – Bedeutung der Balkonszene

Das Besondere an der „Balkonszene“

  • In Dürrenmatts Stück „Der Besuch der alten Dame“ gibt es zu Beginn des zweiten Aktes ein sehr interessantes Phänomen, nämlich ein Spiel auf mehreren Ebenen, bei dem ein Balkon eine besondere Rolle spielt.
  • Zunächst muss man sich die Situation im Drama klarmachen. Am Ende des ersten Aktes hat die Milliardärin die Katze aus dem Sack gelassen und deutlich gemacht, dass ihre Bereitschaft zu einer großen Spende mit einer Erwartung beziehungsweise einer Bedingung verbunden ist: „1 Milliarde für Güllen, wenn jemand Alfred Ill tötet.“ (49).
  • Die Reaktion der Vertreter der Stadt ist so wie man sie als anständiger Mensch und Demokrat erwarten muss, nämlich Entsetzen, Empörung und Ablehnung.
  • Den Schlusspunkt setzt allerdings wieder die Milliardärin mit der knappen Bemerkung: „Ich warte.“ (50).
  • Auch wenn man zu dem Zeitpunkt als Leser oder Zuschauer noch nicht wissen sollte, wie das Ganze ausgeht, hat man wahrscheinlich schon eine Ahnung, dass es da Entwicklungen geben wird, bei denen auch menschlicher Egoismus bis hin zur Niedertracht eine Rolle spielen.

Entwicklung des dramatischen Konflikts zu Beginn des II. Aktes

  • Der zweite Akt beginnt dann auch mit einer gezielten Terrormaßnahme, nämlich der Demonstration eines Sarges, was Ill nicht nur wahrnimmt, sondern was ihn sicherlich auch innerlich beunruhigen wird, auch wenn er erst einmal erklärt: „Das Städtchen steht zu mir.“ (51).
  • Wie fragwürdig diese Einschätzung ist, zeigt sich dann gleich in der Familie. Man hat den Eindruck, alle setzen sich von dem bedrohten Ehemann beziehungsweise Vater ab und gehen eigenen Interessen nach.
  • Im folgenden beginnt dann die Doppelbödigkeit, weil auf der einen Seite die Milliardärin sich präsentiert, auf der anderen Seite deutlich wird, wie die Bürger anfangen, auf Ills Kosten Schulden zu machen (53).
  • Auf Seite 54 gibt es dann vom Balkon aus schon einen ersten deutlichen Hinweis, in welche Richtung die Milliardärin agiert. Im Hinblick auf einen ihrer früheren Ehemänner stellt sie bewundernd fest: „War ein großer Lehr- und Tanzmeister, bewandert in sämtlichen Teufeleien, habe ihm alle abgeguckt.“ (54)
  • Im weiteren Verlauf treten dann andere Kunden auf, die sich genau so selbstsüchtig verhalten, während die Milliardärin mit Erinnerungen an ihre früheren Liebhaber beschäftigt ist. Dabei hat man den Eindruck von Distanz und Verachtung. Deutlich wird auch, mit welcher Selbstverständlichkeit die Milliardären diese Menschen aus ihrem Leben entfernt, wenn sie ihr nichts mehr zu bieten haben.
  • Interessant ist dann eine Bemerkung von Ill auf Seite 56, in der er seine Schuld durchaus anerkennt, sie aber herunterspielt und sich im übrigen über die angebliche Solidarität seiner Mitbürger freut.
  • Auf Seite 57 leistet sich Dürrenmatt den Scherz, in die Frage, ob Ill wirklich Bürgermeister werden wird, das Wort „todsicher“ einzubauen, was eine eindeutige Vorausdeutung ist.
  • Den Höhe- und Schlusspunkt der Balkonszene stellt die Präsentation der gelben Schuhe dar, die zum Symbol für den moralischen Niedergang der Bürgerschaft des Städtchens darstellen.

Die Schluss-Situation in der Balkonszene

  • Auf Seite 60 kann Ill den Hoffnung-Schutzmantel, in den er sich gehüllt hat, nicht mehr aufrechterhalten. Er stellt endlich die Frage: „Womit wollt ihr zahlen? Womit wollt ihr zahlen? Womit? Womit?“ (60)
  • Die Milliardärin kommentiert dann den Lärm, den Ills Ausraster gegenüber seinen sogenannten Kunden macht, höhnisch mit dem Satz: „Man wird sich um den Fleischpreis streiten.“ (60) Schrecklicher kann man nicht veranschaulichen, was in der Stadt abgeht. Der Mitbürger Ill ist nur noch ein Stück Fleisch, um das man sich streitet. Dabei ist der Preis weniger im Geld zu sehen als in der Moral, mit der man sein neues Wohlstandsglück zu bezahlen bereit ist.
  • Anschließend taucht dann bereits der schwarze Panther auf als Fleisch gewordenes Symbol der Bedrohung für Ill.
  • Bis Seite 67 muss Eltern beim Polizisten die Erfahrung machen, dass der seine Sorgen als „Hirngespinste“ abtut (66) und ansonsten sich ebenfalls diese neuen Schuhe gekauft hat. Parallel dazu tut die Milliardären das, was sie angekündigt hat, sie wartet und macht nebenbei deutlich, wie sie mit den Männern umgegangen ist und umgeht, die ihren Ansprüchen nicht genügen.
  • Als Leser beziehungsweise Zuschauer muss man sich hier zwangsläufig die Frage stellen, wie diese Milliardärin dann wohl gefühlsmäßig und in der Sache mit einem Liebhaber umgeht, der nicht nur ihren Ansprüchen nicht genügt hat, sondern sie regelrecht verraten und in die Armut gestoßen hat. Es sieht nicht gut aus für Alfred Ill – sowohl bei der Milliardärin als auch bei seinen Mitbürgern.

Auswertung der Balkonszene

Die Szene zeigt:
  1. auf dem Balkon eine Atmosphäre absoluter Überlegenheit und Distanz zu anderen Menschen, auf der Ebene von Ill scheinbare Selbstsicherheit, die angesichts des realen Verhaltens der Mitbürger immer mehr ins Wanken gerät und schließlich zu Verzweiflung wird.
  2. Die Menschen auf dem Balkon zeigen eine völlig egoistische und genusssüchtige Lebensweise und ein Menschenbild, das andere nur als Spielmaterial ansieht. Die Milliardärin verfügt aber auch über eine große Menschenkenntnis, während Ill sich lange etwas vormacht.
  3. Was das Verhältnis der beiden Welten angeht, so sind sie real getrennt, aber die Oberwelt betrachtet genau, was unten abläuft, und kommentiert es durchaus auf maximal zynische Art.

Unterstützung der inhaltlichen Aussagen durch künstlerische Mittel

Was sind eigentlich „künstlerische Mittel“?

Darunter versteht man alles, was ein Schriftsteller sich hat einfallen lassen, um die inhaltlichen Ziele zum Beispiel einer Dramenszene auf besondere Weise zu unterstreichen, wirkungsvoll zu machen.

Beispiel: Liste sprachlicher Mittel

Normalerweise denkt man hier an „sprachliche“ Mittel wie zum Beispiel:

  • „Gott schirme Euch bei Eurer alten Freiheit“ (Wilhelm Tell, Zeile 186), also eine Metapher: „Schirm“ für „Schutz“.
  • „Ihr seid / mein Gast zu Schwyz, ich in Luzern der Eure.“ Parallelismus (188)
  • „Wie finstrer Trübsinn deine Stirne furcht“: Personifizierung und Metapher (198)
  • „Wohl steht das Haus gezimmert und gefügt, / Doch ach – es wankt der Grund, auf den wir bauten.“ Gegensatz, Ausruf (215)
  • „Nichts nennt er sein als seinen Rittermantel“: Übertreibung (268)

Künstlerische Mittel im Zusammenhang mit Aussagen

In einer Szenenanalyse ist es aber keine gute Idee, das alles einfach so aufzulisten, wie wir es getan haben.

Sinnvoller ist es, von den „Aussagen“, also den Teilrichtungen der Intentionalität, auszugehen und zu schauen, wie die unterstützt werden;

  • mit sprachlichen,
  • aber auch rhetorischen (das sind all die Kniffe, die ein Redner anwenden kann, dazu gehört auch Körpersprache, zum Beispiel: die Hand auf die Schulter legen oder einen Schritt zurücktreten),
  • vor allem aber auch dramaturgischen Mitteln (das sind Mittel, mit denen zum Beispiel vom Aufbau der Szene her deren Wirkung unterstützt werden)

Greifen wir deshalb noch mal auf die Liste der Aussagen zurück und schauen, welche Mittel wir ihnen zuordnen können:

Die Szene zeigt:

  1. wie sehr ein freier Schweizer wie Stauffacher sich von einem kaiserlichen Beamten bedroht fühlen muss,
    • dramaturgisch durch den Gegensatz zwischen der Beschreibung des Wohlstands durch die Frau und der anschließenden Klage über die Bedrohung durch den Vogt
  2. dass der Grund dafür zum einen in seinem Widerstand gegen die österreichische Unterwerfungspolitik liegt,
    • durch das Wort „wundernd“ (221), die deutlich macht, für wie unmöglich der Beamte es hält, dass ein Schweizer ein solch schönes Haus hat
    • durch den Gegenssatz von „Regent“ (230) und die in diesem Kontext schon fast beleidigende Bezeichnung „Bauer“ für Stauffacher
    • das Wort „trutziglich“, das die grimmige Entschlossenheit des Beamten zeigt
    • dessen zusammenfassende Bezeichnung als „der Böse“. (237)
  3. zum anderen aber auch persönliche Motive bei einem Beamten vorliegen können
    • Vergleich der Situation eines freien Bauern mit einem Reichsfürsten (264)
    • die Reduktion des Beamten auf seinen „Rittermantel“ (268)
  4. dass die Frau Stauffachers sehr viel mehr Überblick, Verständnis, vor allem aber auch Mut zeigt
    • durch die Anfangsbemerkungen der Frau, die ihren Mann kennt, ohne dass er etwas sagen muss
    • ihre Selbstbezeichnung als „treues Weib“, die ihre „Hälfte“ seines „Grams“ fordert, also die Last mittragen will – auf der Basis von Gleichberechtigung. (199/200)
  5. und dass es ihr gelingt, ihren Mann zu überzeugen, sich mit anderen gegen Österreich zu verbünden,
    • Das Ergebnis wird besonders ab Zeile 330 deutlich, wo Stauffacher ganz begeistert seine Frau in die Arme nimmt.
    • die Hervorhebung von „Herz“ bei seiner Frau, was auch mit „beherzt“ zusammengehört.
  6. dass am Ende aber die traditionelle Rollenverteilung erhalten bleibt: Der Mann ist gewissermaßen für Verteidigung und Außenpolitik zuständig, die Frau für Familie und Haushalt, darüber hinaus auch für Soziales (gegenüber fremden Besuchern).
    • Ab 333 wird die Rollenverteilung ganz klar.
    • Ein bisschen peinlich wirkt, dass Stauffacher seiner Frau das „Regiment“ zu Hause mit den Worten übergibt: „führe du / mit klugem Sinn“.

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Bedeutung der Szene für das gesamte Drama

Die besondere Bedeutung von Szenen in einem Drama

Weil bei einem Drama immer ein Konflikt vorliegt, ist gewissermaßen jede Szene ein mehr oder weniger großes Rädchen im Gesamtgetriebe.

Rückblick auf den Inhalt der Szene I,2

Wir schauen uns das mal bei der  Szene an, die wir eben schon ausgewertet haben.

In „Wilhelm Tell“, I,2 ging es ja darum, dass neben einer ersten Gewaltaktion der Österreicher in I,1 (versuchte Vergewaltigung) nun eine zweite geschehen  ist, in Form einer Drohung gegenüber Stauffacher. Der kaiserliche Vogt hatte ja deutlich gemacht, dass er dem Schweizer Bauern sein schönes Haus nicht gönnt.

Die Szene I,2 macht nun deutlich, welche psychischen Folgen  sich für den Betroffenen durch eine solche Drohung ergeben. Zugleich wird deutlich, dass es mit seiner Frau jemanden gibt, der sich nicht seinen Ängsten hingibt, sondern die Situation nüchtern analysiert und überlegt, was man rechtzeitig gegen das ganze Bedrohungssystem tun kann.

Da es ihr gelingt, ihren Mann zu überzeugen, zeigt diese Szene einen ersten Auslöser für den immer größer werdenden Widerstand gegen die Österreicher. Stauffacher macht sich nämlich auf den Weg und bereitet schließlich mit anderen zusammen den Rütli-Schwur und damit den Aufstand vor.

Ein Aspekt, an den Schiller wohl nur zur Hälfte gedacht hat

Die Szene ist noch aus einem anderen Grund hochinteressant für unser Thema.

Denn was wir eben entwickelt haben, ist sicher ganz im Sinne Schillers und seiner Konzeption.

Wie wir schon häufig erwähnt haben, enthält aber jeder Text mehr, als der Verfasser hineingelegt hat. Das gilt besonders für literarische Texte.

Und so kam es sicher Schiller darauf an, zu zeigen, dass Frauen in der Realität eine größere Rolle gespielt haben schon in den damaligen Zeiten, als man dem Geschichtsbuch entnehmen kann. Denn dort geht es meistens nach dem Motto: „Cherchez la femme“ – und die Aufforderung meint eben, dass man die Frau immer im Hintergrund finden kann. Das ist eine gute und eine schlechte Nachricht für die Frauen: Sie leisten nämlich viel – aber es wird in den Geschichtsbüchern normalerweise nicht erwähnt.

In dem Punkt ist Schillers Szene sicher ein großer Pluspunkt.

Allerdings gibt es da eben auch den Schluss – und der zeigt etwas, woran Schiller wahrscheinlich nicht gedacht hat: Am Ende verweist Stauffacher seine Frau wieder auf den damals normalen Platz (in moderner Sprache): „Pass schön aufs Haus auf, verhalt dich klug und sei nett zu den Leuten“. Als ob diese Frau nicht schon bewiesen hätte, dass sie mindestens so klug und verantwortungsbewusst ist wie ihr Mann.

Langer Rede kurzer Sinn: Es gibt auch eine Bedeutung einer Szene für das Gesamtwerk, an die der Dichter möglicherweise gar nicht gedacht hat – wohl aber wir 😉

Ausblick auf eine moderne Abänderung des Schlusses

Wer übrigens wissen möchte, wie wir das für unser Kreativitäts-Kapitel genutzt haben, findet hier die Lösung.

 

 

 

Die Frage nach dem „Sinn“ einer Dramenszene

Beim „Sinn“ geht es immer darum, was man selbst mit einem literarischen Text anfangen kann, welche Bedeutung er heute noch hat.

Man kann allerdings auch die Bedeutung im Hinblick auf andere Fragestellungen bzw. Themen prüfen.

Prüfen wir das mal am Beispiel der Szene I,2 von „Wilhelm Tell“ :

  • So kann man zum Beispiel die Drohung des Vogts gegenüber Stauffacher mit etwas vergleichen, das man selbst erlebt oder in einem Film gesehen hat. Daraus kann die Frage entstehen, ob es so etwas häufig gibt oder nur in einer solchen Gewaltherrschaft, wie sie in Schillers Drama beschrieben wird.
  • Oder man ist fasziniert davon, wie es Stauffachers Frau gelingt, ihren Mann wieder „aufzubauen“.
  • Man kann auch beeindruckt sein, wie die beiden Ehepartner die möglichen Gefahren eines Aufstandes diskutieren – bis hin zur Bereitschaft der Frau, eher sich in den Tod zu stürzen als in die Hände der Gegner zu fallen.

 

Was reizt Fachleute möglicherweise an einer Dramenszene?

Unterschied zwischen Schule und Wissenschaft

  • Wir finden es wichtig, zwischen Schule und Wissenschaft zu unterscheiden, wenn es um Literatur geht.
  • Viel zu häufig werden Schüler mit Vorgehensweisen konfrontiert, die eher in ein Germanistik-Studium der Universität gehören.
  • Natürlich sollte man wissen, was das Besondere einer Dramenszene ist und was man alles an ihr untersuchen kann.
  • Aber das sollte unserer Meinung nach nicht der Schwerpunkt in der Schule sein. Da sollte eher das Staunen darüber im Vordergrund stehen, was mehr oder weniger große Dichter sich so haben einfallen lassen.
  • Natürlich soll man dann auch überlegen, warum etwas welche Wirkung auf Leser oder Zuschauer hat.
  • Am meisten aber macht es Spaß, selbst mal so etwas auszuprobieren.

Was Wissenschaftler an Literatur so interessiert …

Wir haben uns jetzt ja viel mit „Wilhelm Tell“ beschäftigt. Also schauen wir einfach mal, was Wissenschaftler an diesem Theaterstück interessiert.

Einen ersten Eindruck bekommt man, wenn man sich eine dieser Lektürehilfen für die Schule anschaut und dabei auf das achten, worauf man nicht selbst als Leser gekommen wäre.

Wir stellen hier mal kurz eine Internet-Variante vor:
https://lektuerehilfe.de/friedrich-schiller/wilhelm-tell

und greifen einfach ein paar Überschriften heraus:

  • „Entstehung und autobiografische Bezüge“: Dort erfährt man dann zum Beispiel, dass Schiller den Stoff von Goethe übernommen hat.
  • „Rezeption und Kritik“: Wie ist das Stück aufgenommen worden.
  • „Literarische Bearbeitungen der Moderne“: Hier wird zum Beispiel „Wilhelm Tell für die Schule“ von Max Frisch kurz vorgestellt.
  • Dann geht es um „Merkmale der Weimarer Klassik“ im Werk – also um Epochenbezüge.
  • Auch um Schillers „Geschichtsphilosophie“. Da geht es um „ein dreistufiges Geschichtsmodell, das die eigene Gegenwart als problematische und unvollkommene mittlere Stufe einstuft: Aus dem ursprünglich harmonischen Naturzustand, der von einer naiven Unschuld geprägt gewesen ist, resultiert durch den kulturellen Fortschritt die Entzweiung im Menschen, durch die seine innere Harmonie zerstört wird.“
  • Dann wird auch die Frage behandelt, inwieweit es sich um ein „geschlossenes Drama“ handelt.
  • Oder die „Rechtfertigung des Tyrannenmords“.

Wissenschaftliches Interesse an einer einzelnen Szene

Nun geht es bei der Szenenanalyse ja nicht direkt um eine Beschäftigung mit dem gesamten Drama.

Aber das kann schon eine Rolle spielen:

  • So kann man etwa darstellen, welchen Beitrag die Szene I,2 mit dem Gespräch zwischen Stauffacher und seiner Frau zur „Exposition“, also der Herausarbeitung des zentralen Konflikts im I. Akt leistet.
  • Oder man kann sich mit Kommunikation zwischen Stauffacher und seiner Frau genauer beschäftigen: Wie gelingt es hier, einen ziemlich verzweifelten Menschen regelrecht aufzubauen.
  • Oder wie ist es mit der politisch-moralischen Frage, für welche Ziele man sein Leben riskieren kann – und ob man einem schlimmen Schicksal wirklich ausweichen sollte und kann, indem man sich selbst umbringt.

Dies soll hier als Anregung zu dieser Frage reichen. Jeder kann ja mal bei der Szene, die er gerade im Unterricht bespricht, den Lehrer fragen, inwieweit sich aus ihr spannende Fragen ergeben könnten.

Vielleicht doch noch ein Nachtrag:

Aus der Szene I,2 kann natürlich eine Facharbeit entstehen, die prüft, ob Schiller auch in anderen Werken so starke Frauenfiguren präsentiert wie diese Gertrud.