Personales Erzählen – am Beispiel von Peter Bichsel, „San Salvador“

Im Folgenden zeigen wir an einigen Textstellen, inwieweit diese Kurzgeschichte typisch ist für „personales“ Erzählen.

Darunter ist ein Erzählen gemeint, bei dem der Erzähler sich mehr oder weniger hinter einer oder auch mehreren Figuren versteckt. Der Fachbegriff hängt mit „persona“ zusammen, dem lateinischen Wort für „Maske“.

Man kann sich das also so vorstellen, dass der Erzähler selbst gar nicht erkennbar wird, sondern einfach nur:

  1. beschreibt, was die Figur tut oder um sie herum geschieht
  2. ihre Gedanken wiedergibt.

Nun zu einigen Beispielen aus der Kurzgeschichte „San Salvador“

 

  1. „Er hatte sich eine Füllfeder gekauft.“
    Als Leser bekommt man hier einfach eine Information, die direkt die Figur betrifft. Typisch für eine Kurzgeschichte ist, dass direkt eingestiegen wird, wir also sonst nichts über die Figur, ihre Geschichte und sonstige Verhältnisse erfahren. Man merkt auch, dass diese Erzähler-Bemerkung ganz nah an dem Selbstgefühl der Figur ist. Die könnte auch denken: „Da habe ich mir also eine Füllfeder gekauft.“ Und dann könnte sie fortfahren: „Was mache ich jetzt am besten damit?“ usw.
  2. „Nachdem er mehrmals seine Unterschrift, dann seine Ini­tialen, seine Adresse, einige Wellenlinien, dann die Adres­se seiner Eltern auf ein Blatt gezeichnet hatte, nahm er ei­nen neuen Bogen, faltete ihn sorgfältig und schrieb: „Mir ist es hier zu kalt“, dann „ich gehe nach Südamerika“,“
    Nach der Information über die Vorgeschichte geht es hier um Aktivitäten der Figur, die aus der Rückschau zusammengefasst werden.
  3. „dann hielt er inne, schraubte die Kappe auf die Feder, be­trachtete den Bogen und sah, wie die Tinte eintrocknete und dunkel wurde (in der Papeterie garantierte man, daß sie schwarz werde), dann nahm er seine Feder erneut zur Hand und setzte noch großzügig seinen Namen Paul dar­unter. Dann saß er da.“
    Hier geht es um die Gegenwart dessen, was die Figur tut bzw. erlebt.
    Eingeschoben ist noch ein Gedanke, der ihm in den Sinn kommt.
  4. „Die Probe des Kirchenchores dauert bis neun Uhr, um halb zehn würde Hildegard zurück sein. Er wartete auf Hildegard. Zu all dem Musik aus dem Radio. Jetzt drehte er das Radio ab.“
    Hier werden direkt Gedanken der Figur wiedergegeben.
  5. „Nun würde also Hildegard heimkommen, um halb zehn. Es war jetzt neun Uhr. Sie läse seine Mitteilung, erschräke dabei, glaubte wohl das mit Südamerika nicht, würde den­noch die Hemden im Kasten zählen, etwas müßte ja ge­schehen sein.“
    Hier werden die Gedanken der Figur in einer anderen Form wiedergegeben – und zwar in der sogenannten „erlebten Rede“. Dabei wird der originale Wortlaut von Gedanken präsentiert, allerdings  im Tempus des Erzählens, dem „epischen Präteritum“:
    Der Mann denkt „Nun wird also Hildegard heimkommen, um halb zehn. Es ist jetzt neun Uhr“.
    Während das Präsens zum Präteritum wird, wird das Futur im Konjunktiv präsentiert.
  6. Es folgt wieder eine Kombination aus „erlebter Rede“ und direkter Gedankenwiedergabe.
    „Sie würde in den „Löwen“ telefonieren. /Der ‚Löwen‘ ist mittwochs geschlossen.“
  7. Die Geschichte schließt mit zwei kommentarlos präsentierten Berichts-Sätzen des Erzählers, der dabei wiedergibt, was die Figur sieht.
    „Um halb zehn kam Hildegard und fragte: „Schlafen die Kinder?“Sie strich die Haare aus dem Gesicht.“

Weiterführende Hinweise

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