Lust auf „Wilhelm Tell“: Fall 3: Ein junger Mann will was aus seinem Leben machen

Besuch beim Onkel – und schon ein Problem

  • Eine interessante Szene ist die erste im II. Akt. Da kommt nämlich der junge Adlige Rudenz zu seinem alten Onkel, dem Freiherrn Attinghausen.

Die Hör-Datei

Wer nicht so viel lesen möchte, kann sich das, was wir hier präsentieren, einfach „auf die Ohren legen“. Und wenn das für die Schule wichtig ist, kann man auch die angegebenen Stellen direkt in der eigenen Textausgabe markieren.

  • Es zeigt sich dann schnell, dass das kein besonders erfreulicher Verwandtenbesuch wird, denn der junge Mann betrachtet es eher als Pflichtveranstaltung und will schnell weg.
  • Für den freundlichen Umgang des alten Freiherrn mit seinen Knechten hat er auch nicht viel Verständnis.
  • Und dann geht es vor allem um die Frage, wie die Adligen der Schweiz sich zu dieser österreichischen Gewaltherrschaft stellen sollen.
  • Der Freiherr hatte eine ganz klare Meinung. es sieht in anderen Gebieten der Schweiz, dass das Leben schon unerträglich geworden ist, und möchte verhindern, dass das Ganze auch in seiner Heimat losgeht.
  • Rudenz ist zum einen der Meinung, dass man unter Österreichs Herrschaft doch besser und sicherer leben würde.

Sehnsucht nach Ruhm und Anerkennung

  • Aber dann lässt er die Katze aus dem Sack, nämlich sein eigentliches Problem (824):
    Ja, ich verberg es nicht – in tiefer Seele
    Schmerzt mich der Spott der Fremdlinge, die uns
    Den Baurenadel schelten – Nicht ertrag ichs,
    Indes die edle Jugend rings umher
    Sich Ehre sammelt unter Habsburgs Fahnen,
    Auf meinem Erb hier müßig stillzuliegen,
    Und bei gemeinem Tagewerk den Lenz
    Des Lebens zu verlieren – Anderswo
    Geschehen Taten, eine Welt des Ruhms
    Bewegt sich glänzend jenseits dieser Berge –
    Mir rosten in der Halle Helm und Schild …“

Die Warnung des Onkels

Sein Onkel aber warnt ihn (849):

„Die fremde falsche Welt ist nicht für dich,
Dort an dem stolzen Kaiserhof bleibst du
Dir ewig fremd mit deinem treuen Herzen!
Die Welt, sie fodert andre Tugenden,
Als du in diesen Tälern dir erworben.
– Geh hin, verkaufe deine freie Seele,
Nimm Land zu Lehen, werd ein Fürstenknecht,
Da du ein Selbstherr sein kannst und ein Fürst
Auf deinem eignen Erb und freien Boden.
– Geh hin, verkaufe deine freie Seele,
Nimm Land zu Lehen, werd ein Fürstenknecht …“

Dann noch der zweite Grund: die Liebe

Besonders warnt er seinen Neffen aber, als deutlich wird, dass dieser vor allem aus Liebe zu Berta von Bruneck auf der Seite der Österreicher sein will (935):

„– Verbirg dich, wie du willst. Das Fräulein ists,
Berta von Bruneck, die zur Herrenburg
Dich zieht, dich fesselt an des Kaisers Dienst.
Das Ritterfräulein willst du dir erwerben
Mit deinem Abfall von dem Land – Betrüg dich nicht!
Dich anzulocken zeigt man dir die Braut,
Doch deiner Unschuld ist sie nicht beschieden.“

Der Schluss des Gesprächs mit Ausblick

  • Am Ende ist alles umsonst. Rudenz wendet sich ziemlich empört ab und erlebt dann später sein blaues Wunder, als er endlich mal mit Berta allein ist.
  • Die findet es nämlich unmöglich, dass er seine Heimat im Stich lässt. Außerdem glaubt sie, dass sie selbst bald zwangsverheiratet wird, damit man an ihre Güter kommt.
  • Das führt dann dazu, dass Rudenz mit ihr zusammen für die Schweizer kämpfen will, um dort in Freiheit leben zu können.

Mascha Kaléko, „Großstadtliebe“ – modernisiert

Der Reiz des Modernisierens

Es ist immer wieder eine schöne Aufgabe, einen älteren Text, der viel Potenzial enthält, in die heutige Zeit zu übertragen.

Das gilt natürlich auch für Gedichte.

Die Vorlage

Deshalb wollen wir mal am Beispiel eines Gedichtes von Mascha Kaléko zeigen, wie man so etwas machen kann. Es heißt „Großstadtliebe“ und zeigt, wie Veränderungen um uns herum auch uns innen verändern.

In diesem Falle geht es – wie der Titel des Gedichtes schon deutlich macht – um die intensivste Beziehung, die Menschen eingehen können, nämlich um die Liebe.

Erfreulicherweise gibt es eine Seite im Internet, auf der dieses Gedicht veröffentlicht worden ist – und es ist ganz eindeutig eine Seite, die die Urheberrechte schützt – und das tun wir auch. Deshalb sprechen wir nur über das Gedicht und sein Anregungspotenzial, fügen aber den kompletten Originaltext hier nicht ein. Man kann ihn wie gesagt finden auf:
https://www.maschakaleko.com/gedichte/21-grossstadtliebe

Klärung der inhaltlichen Entwicklung im Gedicht

Das Gedicht besteht aus fünf Strophen mit jeweils fünf Zeilen und wir klären zunächst mal die inhaltliche Entwicklung.

  1. In der ersten Strophe geht es um die Entstehung einer Beziehung aus einer flüchtigen Begegnung heraus.
  2. Die zweite Strophe beschäftigt sich dann mit der Liebe der beiden Personen und ihren Hoffnungen auf gemeinsames Glück.
    Es gibt dann aber schon ein Signal, dass diese Liebe Beschränkungen unterliegt, denn nach den „Freuden der Gehaltszulage“ kommt anscheinend nur noch Kommunikation über das Telefon.
  3. Die dritte Strophe deutet dann an, dass man sich nicht zu Hause treffen kann, weil man dort einfach nicht ungestört zusammen sein kann.
    „Klatsch der Tanten und der Basen“ die Rede.
    Das führt letztlich dazu, dass man „zu zweien still und unberührt“ bleibt, also auch eine innere Einschränkung der Liebe gegeben ist.
  4. Die vierte Strophe beschäftigt sich dann mit den Möglichkeiten des Zusammenseins, die unter diesen Bedingungen überhaupt noch möglich sind.
    Vieles ist nur an stillen beziehungsweise einsamen Orten möglich.
    Zu einer gemeinsamen Lebensplanung kommt man schon gar nicht mehr, denn man muss sich jeweils um die konkreten Dinge kümmern, was einem kaum Gelegenheit gibt auch mal „rot“ zu werden, d.h. letztlich innerlich berührt zu werden.
  5. Die letzte Strophe führt dann Verhaltensweisen auf, die unter normalen Bedingungen das Gefühl der Gemeinsamkeit verstärken.
    Dem gegenüber steht aber eine Entwicklung, bei der man letztlich dann „genug von Weekendfahrt und Küssen“ hat.
    Jetzt reicht es nicht mal mehr zu einem Telefonanruf, sondern man schreibt sich einen Abschiedsbrief und den auch noch in Stenografenschrift, wobei ein einziges Wort reicht: „aus“.

Letztlich macht das Gedicht deutlich, dass zu den damaligen Zeiten eine Liebe unter diesen Bedingungen eigentlich keine Zukunft hatte und genauso schnell zu Ende ging, wie sie begonnen hat.

Die Frage der Modernisierung

Wenn es um die Frage geht, wie man das modernisieren kann, dann gibt es viele Beschränkungen, die heute sicherlich nicht mehr in der Form eine Liebe – unter normalen Bedingungen – behindern.
Also muss man überlegen, wo es auch heute noch solche Bedingungen ausnahmsweise mal geben kann.

Dabei könnte einem eine Beziehung einfallen, die von der Hierarchie nicht zusammenpasst. Ein gewisses Klischee ist ja die Liebe zwischen Chef und Sekretärin oder umgekehrt natürlich zwischen Chefin und ihrem Assistenten.

Genauso könnte man an den militärischen Bereich denken, wo ein Vorgesetzter eine Beziehung mit einer Untergebenen eingeht, was in der Regel nur geheim geschehen kann.

Wir entscheiden uns hier für den landläufigen Fall in einer Firma, aber nehmen dort nicht die vermeintliche Standardsituation zwischen Chef und Sekretärin, sondern lieber zwischen Chefin und ihrem Assistenten.

Zur Vorgehensweise

Wir verzichten nicht zuletzt aus Achtung vor der Autorin darauf, jetzt einfach wie in einer Persiflage einzelne Wörter auszutauschen, sondern versuchen uns tatsächlich von dem Gedicht und der in ihm deutlich gewordenen Problematik zu einem eigenen Text anregen zu lassen.

Auch verzichten wir auf Reim, weil der erst mal den inhaltlichen Gedankenflug nur behindert. Allerdings sollte das Gedicht schon einen gewissen Rhythmus haben. In der Vorlage ist das ein Jambus, wir schauen mal, was passt.

Versuch einer vorläufigen Realisierung

Lars Krüsand,

Business-Liebe

  1. Das Firmenfest, es war so schön und hatte Folgen.
  2. Die Chefin gab das Du, der Assistent griff zu.
  3. Und wie es sich gehört, es ging ins Bett.
  4. Am Tag darauf, dann war die Frage,
  5. wie gehn wir damit um? …
  6. Auf jeden Fall war klar, das ging nicht offen.
  7. So traf man sich an stillen Orten
  8. Am Wochenende ging’s dann weiter raus.
  9. Wozu gibt es Hotels mit voller Diskretion?!
  10. Doch wie es mit der Liebe halt so ist.
  11. Sie schreit nach mehr, ja fast nach Ewigkeit.
  12. Doch geht das kaum, wenn alle Energie
  13. nur aufs Verheimlichen gerichtet ist.
  14. So fand der Assistent denn eines Sonntags,
  15. als er vom Joggen kam, nur einen Zettel vor.
  16. Das „Du“ gestrichen, dafür groß ein „Sie“.

Weiterführende Hinweise

  • Ein alphabetisches Gesamtverzeichnis unserer Infos und Materialien gibt es hier.
  • Eine Übersicht über unsere Videos auf Youtube gibt es hier.