Spaß an Literatur? Was ist das denn?
-
- Im Folgenden wollen wir mal zeigen, dass man auch an älteren Lektüretexten Spaß haben kann.
- Was genau „Spaß“ ist, lassen wir erst mal offen. Es muss nicht lustig sein – aber man soll hinterher das Gefühl haben: Es hat sich gelohnt, diese kleine Episode o.ä. kennenzulernen.
- Um das Ganze so angenehm wie möglich zu machen, erzählen wir diese kleinen „Fälle“ einfach und machen daraus eine mp3-Datei. Die kann man sich „auf die Ohren legen“ – und, wenn man möchte, sich in seinem eigenen Text ein paar Stellen anstreichen.
- Unser Ziel: Sich so einen alten Text zum Freund machen 🙂
Die Hör-Datei
Wer nicht so viel lesen möchte, kann sich das, was wir hier präsentieren, einfach „auf die Ohren legen“. Und wenn das für die Schule wichtig ist, kann man auch die angegebenen Stellen direkt in der eigenen Textausgabe markieren.
Beispiel: „Wilhelm Tell“ – auf jeden Fall „Apfel“
-
- Probieren wir es am Beispiel von Schillers Wilhelm Tell mal aus.
- Wer auch nur ein bisschen was von diesem Mann weiß, der weiß auch, dass dabei ein Apfel eine Rolle spielt.
- Wer ein bisschen mehr weiß, der weiß auch, dass Tell auf diesen Apfel schießen musste.
- Und wer genau Bescheid weiß, der weiß auch noch, dass unter dem Apfel direkt sich der Kopf seines Sohnes befand.
- Wie es dazu kam, dass ein Vater auf seinen eigenen Sohn schießen muss, das wollen wir im folgenden Fall genauer erklären.
Zum Video und zur entsprechenden Dokumentation
Zu den fünf interessanten Episoden in Schillers Drama „Wilhelm Tell“ haben wir inzwischen eine Video-Dokumentation erstellt.
Die haben wir auf diese Seite gepackt.
-
Fall 1: Warum ein braver Schweizer Bürger zur Axt greift
- Es ist die Zeit um 1300 – und einige Gebiete der Schweiz um den Vierwaldstätter See haben im Laufe der Zeit eine gewisse Freiheit errungen. Die wird aber jetzt durch einen neuen Kaiser in Frage gestellt. Plötzlich sehen sie sich überall von kaiserlichen Beamten beherrscht, die ihre Macht immer mehr ausbauen und auch missbrauchen.
- Das erlebt zum Beispiel ein einfacher Schweizer namens Baumgarten.
- Er arbeitet im Wald, als seine Frau plötzlich aufgeregt zu ihm gelaufen kommt und ihm erzählt, dass ein kaiserlicher Beamter bei ihnen in der Badewanne liegt und wahrscheinlich bald noch mehr von ihr will.
- Ihr Mann ist empört und geht mit der Axt direkt in sein Badezimmer und bringt den kaiserlichen Beamten um.
- Jetzt muss er fliehen und damit sind wir in der ersten Szene des Dramas „Wilhelm Tell“.
- Der Flüchtling kann nur über den See enfliehen – aber der Fischer weigert sich, ihn rüberzufahren, weil die Wellen bei dem stürmischen Wetter zu hoch gehen.
- Im richtigen Moment kommt Wilhelm Tell vorbei – und jetzt ergibt sich ein interessantes Gespräch.
- Für die, die im Text sich schon mal was anstreichen wollen, nennen wir jetzt auch eine Zeile, nämlich 139. Da wendet sich der gute Tell nämlich mahnend an den Fischer:
„Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt / vertrau auf Gott und rette den Bedrängten. - Was uns sehr gut gefallen hat, war die coole Antwort des Fischers:
„Vom sicheren Port,“ also vom sicheren Hafen aus, „lässt sich’s gemächlich raten“, kann man gute Ratschläge geben.
Schöner kann man wirklich nicht sagen. Denn dieser Wilhelm Tell machte bis dahin keinen besonders guten Eindruck auf uns. - Aber jetzt zeigt er doch seine gute Seite. Wir werden noch sehen, dass man ihn häufig erst mal auf einen guten Gedanken bringen muss – aber dann geht es mit ihm voll ab.
Aber ein bisschen Bammel hat Tell schon. Jedenfalls macht er in Zeile 155 deutlich:
„Wohl aus des Vogts Gewalt errett ich euch,
Aus Sturmes Nöten muss ein anderer helfen.
Doch besser ist’s, Ihr fallt in Gottes Hand
Als in der Menschen!“
Damit will er letztlich sagen: Wenn wir auf dem See umkommen, dann war das unser Schicksal und geschieht entsprechend dem Willen Gottes. Wenn man aber in die Hände der Menschen – d.h. hier, der Verfolger, fällt, passiert einem viel Schlimmeres – und dass das wohl so wäre, zeigt sich ja am Ende der Szene, als die enttäuschten Verfolger ihrem Zorn freien Lauf lassen. - Dass Tell sich keineswegs sicher ist, dass ihm die stürmische Fahrt gelingen wird, zeigt sich in 158, wo er zu einem Hirten sagt:
„Landsmann, tröstet Ihr
mein Weib, wenn mir was Menschliches begegnet.
Ich hab getan, was ich nicht lassen konnte.“
Und mit dem Menschlichen ist eben das gemeint, was jedem Menschen eines Tages passiert, nämlich der Tod. - Aber die Sache geht gut aus: Tell schafft es. Im Theater wird so etwas immer schön gezeigt, indem einer gewissermaßen ein bisschen hoch klettert und dann von oben den Zuschauern das erzählt, was man nicht so gut zeigen kann.
- Baumgarten ist gerettet – aber die anderen, die ihn nicht aufgehalten haben, werden von den Verfolgern bestraft: Die Häuser werden in Brand gesteckt und die Herdentiere alle abgeschlachtet.
- Am Ende kann nur einer aufstöhnen: „“Wann wird der Retter kommen diesem Lande?“ (182)