Highlight-Hörbuch, Teil 7: „Die Judenbuche“: Der Mord an der Judenbuche

„Die Judenbuche“, Teil 7: Der Mord an der Judenbuche

Wie immer hier zunächst die mp3-Datei, die alles enthält, was man weiter unten auch nachlesen kann.

Friedrichs negative Veränderung

Bei der Begegnung mit dem Oberförster im Wald ist Friedrich das erste Mal schuldig geworden. Er hat zwar nicht gebeichtet, aber er lässt das Gefühl der Schuld, dass er den Beamten letztlich in den Tod geschickt hat, bald hinter sich.

Auf S. 35 wird dann genauer erklärt, wie das kommt und wohin das führt:
„Wer zweifelt daran, dass Simon alles tat, seinen Adoptivsohn dieselben Wege zu leiten, die er selber ging? Und in Friedrich lagen Eigenschaften, die dies nur zu sehr erleichterten: Leichtsinn, Erregbarkeit, und vor allem ein grenzenloser Hochmut, der nicht immer den Schein verschmähte, und dann alles daran setzte, durch Wahrmachung des Usurpierten möglicher Beschämung zu entgehen. Seine Natur war nicht unedel, aber er gewöhnte sich, die innere Schande der äußern vorzuziehen. Man darf nur sagen, er gewöhnte sich zu prunken, während seine Mutter darbte.”

Friedrichs Auftritt während einer Hochzeitsfeier

Das wird ihm kurz darauf zum Verhängnis und führt zu einer weiteren, noch schlimmeren Untat.
Auf einer Hochzeitsfeier heißt es unten auf Seite 36: „ Friedrich stolzierte umher wie ein Hahn, im neuen himmelblauen Rock, und machte sein Recht als erster Elegant geltend.“ D.h. er spielt mal wieder die Rolle des jungen Menschen im Dorf, auf den alle schauen sollen.

Die Peinlichkeit des Butterdiebstahls

Auf Seite 38 gerät dieses Image aber sehr in Gefahr.
Denn sein Schützling Johannes wird beim Diebstahl von Butter erwischt. Er ist so dumm gewesen, sich ein Stück einfach in die Jackentasche zu stecken und bei der Wärme ist die Butter geschmolzen und auf den Boden getropft. Friedrich gibt ihm zur Strafe zwar ein paar Ohrfeigen und schmeißt ihn raus, aber, wie es im Text auf Seite 38 heißt: „… seine Würde war verletzt, das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele.“

Friedrichs Versuch, sein Ansehen mit einer silbernen Taschenuhr zu retten

Friedrich versucht jetzt, die anderen dadurch zu beeindrucken, dass er ganz nebenbei eine silberne Taschenuhr herausholt. Dies führt aber nur zu einem kurzen Dialog mit seinem Rivalen Wilm, der sich nach dem Preis erkundigt. Friedrich meint, darauf einfach mit der Gegenfrage kontern zu können: „Willst du sie bezahlen? Und muss dann gleich schweigend den Gegenschlag hinnehmen: „Hast du sie bezahlt?“
Dann kommt es noch schlimmer, denn sein Gegner fährt fort: „… dergleichen hat man schon erlebt. Du weißt wohl, der Franz Ebel hatte auch eine schöne Uhr, bis der Jude Aaron sie ihm wieder abnahm.“

Friedrich antwortet darauf gar nicht, sondern verlässt kurz den Tanzsaal. Kurz darauf heißt es im Text, dass er die Gesellschaft sogar ganz verlassen hat – und es folgt die Erklärung:

Der Gipfel der Schande – Friedrichs Angeberei wird entlarvt

S. 39: „Eine große, unerträgliche Schmach hatte ihn getroffen, da der Jude Aaron, ein Schlächter und gelegentlicher Althändler aus dem nächsten Städtchen, plötzlich erschienen war, und nach einem kurzen, unbefriedigenden Zwiegespräch ihn laut vor allen Leuten um den Betrag von zehn Talern für eine schon um Ostern gelieferte Uhr gemahnt hatte.

Friedrich war wie vernichtet fortgegangen und der Jude ihm gefolgt, immer schreiend: ‚O weh mir! Warum hab‘ ich nicht gehört auf vernünftige Leute! Haben sie mir nicht hundertmal gesagt, Ihr hättet all Eur Gut am Leibe und kein Brot im Schranke!‘“

Der Mord an Aaron und die Inschrift an der „Judenbuche“

Kurz darauf wird der Jude tot im Wald gefunden – Friedrich gerät natürlich sofort in Verdacht, aber es kommt zu keinem Prozess, weil er mit seinem Schützling Johannes rechtzeitig verschwunden ist.

Dafür zeigen aber die Juden der Umgebung, wie es auf S. 45 heißt, „großen Anteil“. Sie wenden sich an den Gutsherrn und erreichen, dass die Buche, unter der Aaron gefunden worden ist, von ihnen gekauft werden kann und auf jeden Fall stehen bleiben kann – mit samt einer Inschrift in hebräischer Sprache, deren Bedeutung dem Leser erst mal nicht erklärt wird.

Lust auf „Wilhelm Tell“: Fall 5: Ist Mord gleich Mord?

Schillers Problem: Darf man einen Menschen töten?

  • Man stelle sich das vor: Da hat Schiller als Dichter diesen Wilhelm Tell zu seinem Thema gemacht und dann gehört da eben auch ein Mord dazu. Denn der Held des Dramas hat sich ja vorgenommen, den Mann zu bestrafen, der ihn gezwungen hat, auf sein eigenes Kind zu schießen.
  • Es ist dabei dem Kind glücklicherweise nichts passiert, aber dieser erzwungene Schuss hat doch seine Spuren hinterlassen.
  • Zu Beginn der ersten Szene des vierten Aktes ist Wilhelm Tell denn auch auf dem Weg zu einem „hohlen“, also engen Gasse, durch die der Vogt kommen muss.
  • Wer sich jetzt erinnert, dass er ja vor kurzem noch ins Gefängnis abgeführt werden sollte, den können wir beruhigen. Der Vogt nahm dummerweise den Weg über den Vierwaldstättersee und es kam wieder ein Sturm – und wenn man um sein Leben fürchtet, dann nimmt man schon mal dem Gefangenen die Fesseln ab und lässt ihn steuern – denn das kann Wilhelm Tell ja sehr gut.
  • Was er aber dann auch noch gut konnte, das Boot so nah ans Ufer ranzusteuern, dass er es im Sprung erreichen konnte – seine Armbrust hatte er mitgenommen.
  • Damit war alles perfekt für das geplante Attentat.

Die Hör-Datei

Wer nicht so viel lesen möchte, kann sich das, was wir hier präsentieren, einfach „auf die Ohren legen“. Und wenn das für die Schule wichtig ist, kann man auch die angegebenen Stellen direkt in der eigenen Textausgabe markieren.

Tells langer Monolog als Begründung für den Anschlag

  • Aber das ist natürlich nichts für die Bühne – außerdem hat Schiller ja eben das Problem, dass so ein tödlicher Schuss aus dem Hinterhalt doch schon gut begründet werden sollte.
  • Und das geschieht dann in der dritten Szene des IV. Aktes. Dort tritt Tell auf mit seiner Armbrust und legt so richtig los (2561):
  • „Durch diese hohle Gasse muss er kommen,
    Es führt kein andrer Weg nach Küssnacht – Hier
    Vollend ichs – Die Gelegenheit ist günstig.
    (…)
    Mach deine Rechnung mit dem Himmel, Vogt,
    Fort musst du, deine Uhr ist abgelaufen.
    Ich lebte still und harmlos – Das Geschoss
    War auf des Waldes Tiere nur gerichtet,
    Meine Gedanken waren rein von Mord –
    Du hast aus meinem Frieden mich heraus
    Geschreckt, in gärend Drachengift hast du
    Die Milch der frommen Denkart mir verwandelt,
    Zum Ungeheuren hast du mich gewöhnt –
    Wer sich des Kindes Haupt zum Ziele setzte,
    Der kann auch treffen in das Herz des Feinds.

    2630ff
    Am wilden Weg sitzt er mit Mordgedanken,
    Des Feindes Leben ists, worauf er lauert.
    – Und doch an euch nur denkt er, lieben Kinder,
    Auch jetzt – euch zu verteidgen, eure holde Unschuld
    Zu schützen vor der Rache des Tyrannen,
    Will er zum Morde jetzt den Bogen spannen!“

    Und etwas später kommt noch ein Satz, der zum Sprichwort geworden ist (2683):
    „Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben,
    Wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.“
  • Damit ist Schiller schon mal das Problem mit dem tödlichen Attentat ein bisschen los, indem er Wilhelm Tell seine ganzen Seelenqualen schildern lässt.
  • Wichtig ist aber natürlich die Stelle, wo er deutlich macht, dass es nicht nur um rückwärts gerichtete Bestrafung geht, sondern auch den Schutz anderer Menschen vor diesem „Wüterich“ – wir werden dieses Wort gleich noch brauchen. Es bedeutet so viel, dass jemand vor Wut ganz außer sich gerät und dann zu allem fähig ist.

Dazu noch eine Frau mit Kindern in Lebensgefahr

  • Als der Vogt dann kommt, baut Schiller noch eine zweite Sache ein, die Tells Aktion in einem besseren Licht erscheinen lässt.
  • Denn als der Vogt auftaucht in diesem Holweg, stellt sich eine Frau mit ihren Kindern in den Weg, deren Mann schon lange wohl ziemlich unschuldig im Gefängnis sitzt.
  • Der Vogt hat aber nicht die geringste Lust, sich mit dem Fall zu beschäftigen und droht schließlich sogar, die Frau mit ihren Kindern niederzureiten. Genau in dem Zusammenhang trifft ihn dann der Pfeil.

Mord gleich Mord?

  • Als Tell dann nach Hause kommt, ist seine Frau natürlich zunächst einmal sehr froh, ihren Mann frei und gesund wieder bei sich zu sehen. Sie ist aber auch ein bisschen aufgeregt, weil kurz vorher ein etwas seltsamer Mönch aufgetaucht ist, von dem sie sich fast bedroht fühlt.
  • Wilhelm Tell erkennt schnell, dass das kein richtiger Mönch ist. Und der Besucher gibt dann auch zu, dass er der Mann ist, der kurz vorher den Kaiser ermordet hat.
  • Als Grund dafür gibt er an, dass der Kaiser, sein Verwandter, ihn um sein Erbe betrügen wollte. Schließlich habe er keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als mit einigen anderen zusammen den Kaiser in eine Falle zu locken und dann zu töten.
  • Jetzt kommt es zum entscheidenden Punkt, der Kaisermörder erklärt nämlich (3173)

    „Bei Euch hofft ich Barmherzigkeit zu finden,
    Auch Ihr nahmt Rach an Euerm Feind.“
    Tell ist dagegen entsetzt, ja sogar empört:
    Unglücklicher!
    Darfst du der Ehrsucht blutge Schuld vermengen
    Mit der gerechten Notwehr eines Vaters?
    Hast du der Kinder liebes Haupt verteidigt?
    Des Herdes Heiligtum beschützt? das Schrecklichste,
    Das Letzte von den Deinen abgewehrt?
    – Zum Himmel heb ich meine reinen Hände,
    Verfluche dich und deine Tat – Gerächt
    Hab ich die heilige Natur, die du
    Geschändet – Nichts teil ich mit dir – Gemordet
    Hast du, ich hab mein Teuerstes verteidigt.

    Man merkt hier deutlich, wie wichtig es dem Tell ist, sich von diesem Mann und seiner Tat abzugrenzen.

  • Schließlich hat er aber doch ein bisschen Mitleid mit dem Mörder und gibt ihm den Rat, zum Papst zu gehen und mit ihm über seine Schuld und Vergebung zu sprechen.

Zusammenfassung: Dreifache „Entschuldigung“

  • Insgesamt kann man hier sehr gut sehen, wie eben ein an sich friedlicher Mensch in eine so extreme Situation gebracht wird, dass er schließlich sogar seinen Todfeind erschießt.
  • Man sieht aber auch, wie viel Mühe Schiller sich gegeben hat, ganz deutlich zu machen, dass er nicht irgendwelche Gewalttaten befürwortet.
    • Deshalb lässt er den Wilhelm Tell zunächst eine lange Rede halten, in der er sich das selbst noch mal klar macht.
    • Dann hat er die Frau mit ihren Kindern eingefügt, die ja durch Tells Schuss vor einer neuen Untat des Vogtes bewahrt worden sind.
    • Und schließlich wird in der Szene mit dem Kaisermörder noch einmal deutlich gemacht, dass es sehr unterschiedliche Gründe und Motive für eine solche tödliche Aktion geben kann.
  • Am Ende des Dramas wird aber auf jeden Fall deutlich, wie begeistert die Schweizer sind, dass sie durch Tell von solch einer Gewaltherrschaft befreit worden sind. Tell war sicher kein normaler Anführer, aber er war immer zur Stelle, wenn er gebraucht wurde – und im entscheidenden Moment hat er das Attentat auf den Vogt sogar ganz für sich alleine entschieden und durchgeführt.