„Die Judenbuche“, Teil 7: Der Mord an der Judenbuche
Wie immer hier zunächst die mp3-Datei, die alles enthält, was man weiter unten auch nachlesen kann.
Friedrichs negative Veränderung
Bei der Begegnung mit dem Oberförster im Wald ist Friedrich das erste Mal schuldig geworden. Er hat zwar nicht gebeichtet, aber er lässt das Gefühl der Schuld, dass er den Beamten letztlich in den Tod geschickt hat, bald hinter sich.
Auf S. 35 wird dann genauer erklärt, wie das kommt und wohin das führt:
„Wer zweifelt daran, dass Simon alles tat, seinen Adoptivsohn dieselben Wege zu leiten, die er selber ging? Und in Friedrich lagen Eigenschaften, die dies nur zu sehr erleichterten: Leichtsinn, Erregbarkeit, und vor allem ein grenzenloser Hochmut, der nicht immer den Schein verschmähte, und dann alles daran setzte, durch Wahrmachung des Usurpierten möglicher Beschämung zu entgehen. Seine Natur war nicht unedel, aber er gewöhnte sich, die innere Schande der äußern vorzuziehen. Man darf nur sagen, er gewöhnte sich zu prunken, während seine Mutter darbte.”
Friedrichs Auftritt während einer Hochzeitsfeier
Das wird ihm kurz darauf zum Verhängnis und führt zu einer weiteren, noch schlimmeren Untat.
Auf einer Hochzeitsfeier heißt es unten auf Seite 36: „ Friedrich stolzierte umher wie ein Hahn, im neuen himmelblauen Rock, und machte sein Recht als erster Elegant geltend.“ D.h. er spielt mal wieder die Rolle des jungen Menschen im Dorf, auf den alle schauen sollen.
Die Peinlichkeit des Butterdiebstahls
Auf Seite 38 gerät dieses Image aber sehr in Gefahr.
Denn sein Schützling Johannes wird beim Diebstahl von Butter erwischt. Er ist so dumm gewesen, sich ein Stück einfach in die Jackentasche zu stecken und bei der Wärme ist die Butter geschmolzen und auf den Boden getropft. Friedrich gibt ihm zur Strafe zwar ein paar Ohrfeigen und schmeißt ihn raus, aber, wie es im Text auf Seite 38 heißt: „… seine Würde war verletzt, das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele.“
Friedrichs Versuch, sein Ansehen mit einer silbernen Taschenuhr zu retten
Friedrich versucht jetzt, die anderen dadurch zu beeindrucken, dass er ganz nebenbei eine silberne Taschenuhr herausholt. Dies führt aber nur zu einem kurzen Dialog mit seinem Rivalen Wilm, der sich nach dem Preis erkundigt. Friedrich meint, darauf einfach mit der Gegenfrage kontern zu können: „Willst du sie bezahlen? Und muss dann gleich schweigend den Gegenschlag hinnehmen: „Hast du sie bezahlt?“
Dann kommt es noch schlimmer, denn sein Gegner fährt fort: „… dergleichen hat man schon erlebt. Du weißt wohl, der Franz Ebel hatte auch eine schöne Uhr, bis der Jude Aaron sie ihm wieder abnahm.“
Friedrich antwortet darauf gar nicht, sondern verlässt kurz den Tanzsaal. Kurz darauf heißt es im Text, dass er die Gesellschaft sogar ganz verlassen hat – und es folgt die Erklärung:
Der Gipfel der Schande – Friedrichs Angeberei wird entlarvt
S. 39: „Eine große, unerträgliche Schmach hatte ihn getroffen, da der Jude Aaron, ein Schlächter und gelegentlicher Althändler aus dem nächsten Städtchen, plötzlich erschienen war, und nach einem kurzen, unbefriedigenden Zwiegespräch ihn laut vor allen Leuten um den Betrag von zehn Talern für eine schon um Ostern gelieferte Uhr gemahnt hatte.
Friedrich war wie vernichtet fortgegangen und der Jude ihm gefolgt, immer schreiend: ‚O weh mir! Warum hab‘ ich nicht gehört auf vernünftige Leute! Haben sie mir nicht hundertmal gesagt, Ihr hättet all Eur Gut am Leibe und kein Brot im Schranke!‘“
Der Mord an Aaron und die Inschrift an der „Judenbuche“
Kurz darauf wird der Jude tot im Wald gefunden – Friedrich gerät natürlich sofort in Verdacht, aber es kommt zu keinem Prozess, weil er mit seinem Schützling Johannes rechtzeitig verschwunden ist.
Dafür zeigen aber die Juden der Umgebung, wie es auf S. 45 heißt, „großen Anteil“. Sie wenden sich an den Gutsherrn und erreichen, dass die Buche, unter der Aaron gefunden worden ist, von ihnen gekauft werden kann und auf jeden Fall stehen bleiben kann – mit samt einer Inschrift in hebräischer Sprache, deren Bedeutung dem Leser erst mal nicht erklärt wird.
In der Novelle geht es nach dem Gedicht und die Vorstellung der Gegend und ihrer Bewohner um die Familie, in die Friedrich hineingeboren wird. Außerdem wird deutlich, wie er sich entwickelt.
Hier die mp3-Datei, die bis zum Erscheinen des Onkels reicht.
S. 5ff: Friedrichs Vater und seine erste Frau
Bevor Friedrich zur Welt kommt, geht es erst mal um zwei Frauen. Die erste ist nur ganz kurz die Frau seines Vaters – aber schauen wir mal in den Text, oben auf S. 6 geht es los.
„Friedrichs Vater, der alte Hermann Mergel, war in seinem Junggesellenstande ein sogenannter ordentlicher Säufer, d.h. einer, der nur an Sonn- und Festtagen in der Rinne lag und die Woche hindurch so manierlich war wie ein anderer.
So war denn auch seine Bewerbung um ein recht hübsches und wohlhabendes Mädchen ihm nicht erschwert. Auf der Hochzeit ging’s lustig zu. Mergel war gar nicht zu arg betrunken, und die Eltern der Braut gingen abends vergnügt heim;
aber am nächsten Sonntage sah man die junge Frau schreiend und blutrünstig durchs Dorf zu den Ihrigen rennen, alle ihre guten Kleider und neues Hausgerät im Stich lassend.
Das war freilich ein großer Skandal und Ärger für Mergel, der allerdings Trostes bedurfte.
So war denn auch am Nachmittage keine Scheibe an seinem Hause mehr ganz, und man sah ihn noch bis spät in die Nacht vor der Türschwelle liegen, einen abgebrochenen Flaschenhals von Zeit zu Zeit zum Munde führend und sich Gesicht und Hände jämmerlich zerschneidend.
Die junge Frau blieb bei ihren Eltern, wo sie bald verkümmerte und starb.
Ob nun den Mergel Reue quälte oder Scham, genug, er schien der Trostmittel immer bedürftiger und fing bald an, den gänzlich verkommenen Subjekten zugezählt zu werden.“
S. 6/7: Die zweite Frau – Friedrichs spätere Mutter
Erstaunlicherweise heiratet dann eine andere Frau aus recht guten Verhältnissen diesen schon ziemlich verkommenen Trinker. Sie wird natürlich von allen gewarnt, antwortet darauf aber nur:
„Eine Frau, die von ihrem Manne übel behandelt wird, ist dumm oder taugt nicht: wenn’s mir schlecht geht, so sagt, es liege an mir.“
Der Erzähler macht dann aber ganz deutlich, was draus geworden ist (Seite 7 oben):
„Der Erfolg zeigte leider, dass sie ihre Kräfte überschätzt hatte.
Anfangs imponierte sie ihrem Manne; er kam nicht nach Haus oder kroch in die Scheune, wenn er sich übernommen hatte;
aber das Joch war zu drückend, um lange getragen zu werden, und bald sah man ihn oft genug quer über die Gasse ins Haus taumeln, hörte drinnen sein wüstes Lärmen und sah Margreth eilends Tür und Fenster schließen.“
Und irgendwann ist sie dann in der gleichen Situation wie die erste Frau, muss aus dem Haus raus, sich fast verstecken – aber sie bleibt bei diesem Mann.
S. 7/8ff: Friedrichs Geburt, Tod des Vaters, Juden und Förster
Im zweiten Jahr der Ehe wird dann Friedrich geboren. Auch hier ist der Erzähler sehr deutlich und setzt dann einen interessanten Akzent (unten auf S. 7):
„Das zweite Jahr dieser unglücklichen Ehe ward mit einem Sohne, man kann nicht sagen erfreut, denn Margreth soll sehr geweint haben, als man ihr das Kind reichte.
Dennoch, obwohl unter einem Herzen voll Gram getragen, war Friedrich ein gesundes, hübsches Kind, das in der frischen Luft kräftig gedieh.
Der Vater hatte ihn sehr lieb, kam nie nach Hause, ohne ihm ein Stückchen Wecken oder dergleichen mitzubringen, und man meinte sogar, er sei seit der Geburt des Knaben ordentlicher geworden; wenigstens ward der Lärmen im Hause geringer.“
Aber daraus wird dann auch nichts Gutes, weil der Vater in einer stürmischen Winternacht nicht nach Hause kommt und später tot aufgefunden wird.
Die Novelle konzentriert sich dann auf den Seiten 10/11 auf zwei Dinge, zum einen Vorurteile der Mutter gegenüber Juden (Mitte S. 10)
„Als nach zwei Tagen die Leiche fortgetragen wurde, saß Margreth am Herde, das Gesicht mit der Schürze verhüllend.
Nach einigen Minuten, als alles still geworden war, sagte sie in sich hinein: ‚Zehn Jahre, zehn Kreuze. Wir haben sie doch zusammen getragen, und jetzt bin ich allein!‘
dann lauter: ‚Fritzchen, komm her!‘ –
Friedrich kam scheu heran; die Mutter war ihm ganz unheimlich geworden mit den schwarzen Bändern und den verstörten Zügen.
‚Fritzchen,‘ sagte sie, ‚willst du jetzt auch fromm sein, daß ich Freude an dir habe, oder willst du unartig sein und lügen, oder saufen und stehlen?‘ – ‚Mutter, Hülsmeyer stiehlt.‘ – ‚Hülsmeyer? Gott bewahre! Soll ich dir auf den Rücken kommen? wer sagt dir so schlechtes Zeug?‘ – ‚Er hat neulich den Aaron geprügelt und ihm sechs Groschen genommen.‘ – ‚Hat er dem Aaron Geld genommen, so hat ihn der verfluchte Jude gewiß zuvor darum betrogen. Hülsmeyer ist ein ordentlicher, angesessener Mann, und die Juden sind alle Schelme.‘ – ‚Aber, Mutter, Brandis sagt auch, daß er Holz und Rehe stiehlt.‘ – ‚Kind, Brandis ist ein Förster.‘ – ‚Mutter, lügen die Förster?“
Und das ist dann Gelegenheit, Stellung zu nehmen zu den sogenannten „Holzfreveln“:
„Margreth schwieg eine Weile; dann sagte sie: ‚Höre, Fritz, das Holz läßt unser Herrgott frei wachsen und das Wild wechselt aus eines Herren Lande in das andere; die können niemand angehören. Doch das verstehst du noch nicht; jetzt geh in den Schoppen und hole mir Reisig.‘
Das ist dann schon die Überleitung zu einer entscheidenden Veränderung im Leben Friedrichs.
Wichtig ist aber auch noch die Erinnerung, die Friedrich an seinen Vater behält und was sie mit ihm macht. Oben auf S. 11 heißt es:
„Friedrich hatte seinen Vater auf dem Stroh gesehen, wo er, wie man sagt, blau und fürchterlich ausgesehen haben soll.
Aber davon erzählte er nie und schien ungern daran zu denken.
Überhaupt hatte die Erinnerung an seinen Vater eine mit Grausen gemischte Zärtlichkeit in ihm zurückgelassen, wie denn nichts so fesselt, wie die Liebe und Sorgfalt eines Wesens, das gegen alles Übrige verhärtet scheint, und bei Friedrich wuchs dieses Gefühl mit den Jahren, durch das Gefühl mancher Zurücksetzung von seiten anderer.“
Dann wird noch auf S. 11 darauf eingegangen, dass in dem Dorf die Sitte herrscht, alle, die durch ein Unglück umgekommen sind, für eine Art Gespenst zu halten. Interessant, wie Friedrich darauf reagiert (unten auf S. 11):
„Friedrich musste von andern Knaben vieles darüber hören; dann heulte er, schlug um sich, stach auch einmal mit seinem Messerchen und wurde bei dieser Gelegenheit jämmerlich geprügelt. Seitdem trieb er seiner Mutter Kühe allein an das andere Ende des Tales, wo man ihn oft stundenlang in derselben Stellung im Grase liegen und den Thymian aus dem Boden rupfen sah.“
Man merkt also deutlich, wie sehr Friedrich sich zum Einzelgänger und Außenseiter entwickelt.
S. 11/12: Friedrich wird dem Onkel Simon Semmler übergeben
Das kann man sich hier auch als mp3-Datei „auf die Ohren legen“.
Friedrichs Leben ändert sich völlig, als sein Onkel eines Tages vorbeikommt und mit seiner Mutter einen Deal macht: Er wird so eine Art Pate und darf über einen großen Teil seines Arbeitstages bestimmen, dafür wird Friedrich eines Tages sein Erbe.
Interessant ist, wie dieser Mann oben auf S. 12 vorgestellt wird:
„Simon Semmler war ein kleiner, unruhiger, magerer Mann mit vor dem Kopf liegenden Fischaugen und überhaupt einem Gesicht wie ein Hecht, ein unheimlicher Geselle,
bei dem dicktuende Verschlossenheit oft mit ebenso gesuchter Treuherzigkeit wechselte,
der gern einen aufgeklärten Kopf vorgestellt hätte und statt dessen für einen fatalen, Händel suchenden Kerl galt, dem jeder um so lieber aus dem Wege ging,
je mehr er in das Alter trat, wo ohnehin beschränkte Menschen leicht an Ansprüchen gewinnen, was sie an Brauchbarkeit verlieren. „
Als Friedrich dann mit seinem Onkel durch den Wald abzieht, wundert man sich als Leser nicht, dass schnell die Frage kommt (oben auf S. 15):
„‚Trinkst du gern Branntwein?’ – Der Knabe antwortete nicht. ‘Ich frage, trinkst du gern Branntwein? Gibt dir die Mutter zuweilen welchen?’ – ‘Die Mutter hat selbst keinen,’ sagte Friedrich. – ‘So, so, desto besser!“
Offensichtlich sieht der Onkel hier eine gute Möglichkeit, den Jungen in seinem Sinne zu erziehen.
Im weiteren Verlauf zeigt der Onkel dann Friedrich auch noch den Platz, an dem man seinen Vater tot gefunden hat und erklärt auch so ganz nebenbei, dass er „in der Betrunkenheit ohne Buße und Ölung zum Teufel gefahren“ sei (unten auf S. 16). Friedrich ist denn auch völlig empört und der Onkel lenkt schnell ein. „Dein Vater war übrigens eine gute Seele; Gott wird’s nicht so genau mit ihm nehmen. Ich hatt‘ ihn so lieb wie meinen eigenen Bruder. “
Aber man merkt auf jeden Fall, dass dieser Mann keinen guten Einfluss auf den Jungen haben kann.
S. 17-20: Friedrich zeigt sich stark und bringt Johannes mit
Am nächsten Morgen gibt es dann eine wichtige Szene, weil plötzlich ein Junge auftaucht, den Friedrichs Mutter zunächst für ihren Sohn hält. Er verhält sich aber ganz komisch, vor allem sehr scheu und ängstlich.
Dann taucht aber plötzlich auch Friedrich auf und zeigt sich ganz anders, ziemlich selbstbewusst und man hat den Eindruck, dass er jetzt über diesem anderen Jungen steht, der Johannes Niemand heißt, weil er Schweinehirt ist und keinen Vater hat.
Auf S. 18 oben wird Friedrichs neue Haltung deutlich:
„So ging er gerade auf sein verkümmertes Spiegelbild zu, seinerseits mit einer Haltung bewusster Würde und Selbständigkeit, die in diesem Augenblicke den Unterschied zwischen beiden sonst merkwürdig ähnlichen Knaben stark hervortreten ließ.
‘Da, Johannes!’ sagte er und reichte ihm mit einer Gönnermiene das Kunstwerk; ‘da ist die Violine, die ich dir versprochen habe. Mein Spielen ist vorbei, ich muß jetzt Geld verdienen.’“
Wichtig ist, dass die beiden sich sehr ähnlich sehen und Friedrichs Mutter klar wird, dass Johannes wohl ein unehelicher Sohn ihres Bruders ist. Das findet sie ganz schlimm (S. 19/20):
„Als beide Knaben fort waren, warf sich Margreth auf einen Stuhl und schlug die Hände mit dem Ausdruck des tiefsten Jammers zusammen. Ihr Gesicht war bleich wie ein Tuch. ‘Ein falscher Eid, ein / falscher Eid!’ stöhnte sie. ‘Simon, Simon, wie willst du vor Gott bestehen!’“
Halten wir fest:
In diesem zweiten Teil
ist deutlich geworden, wie gewalttätig Friedrichs Vater ist,
wie sehr seine Mutter darunter leidet, aber trotzdem aushält,
dass Friedrich eine besondere Beziehung zu seinem Vater hat, weil der ihn besser behandelt als alle anderen,
dass ihn deshalb sein Tod auch besonders schmerzt und er es schlimm findet, dass man den Toten jetzt für ein Gespenst hält,
und dass er sich deswegen sogar mit anderen Kindern prügelt und schließlich ein Einzelgänger wird,
dass sein Onkel eine sehr zwielichtige Figur ist, was man gut daran sehen kann, dass er Friedrich gleich zum Alkoholgenuss verführen will und erst schlecht über seinen Vater spricht, dann aber schnell umschwenkt, was nicht überzeugt,
dass Friedrich am Ende gewissermaßen aufsteigt und stark an Selbstbewusstsein gewinnt.
S. 36-47: Friedrichs zweite und noch größere Schuld
Hier kann man sich das Folgende schon mal „auf die Ohren legen“ und sich direkt Notizen in der eigenen Textausgabe machen:
Schon einmal ist Friedrich in eine schlimme Situation geraten ist bzw. sich selbst dort hineingebracht hat, indem er den Oberförster – wenn auch vielleicht nicht ganz absichtlich – in den Tod geschickt hat.
Ab S. 36 wird dann ein zweiter Vorfall geschildert, in dem Friedrich wieder sein ausgeprägtes Ehrgefühl an eine Grenze führt, die er diesmal wohl auf noch eindeutigere Weise überschreitet.
Beim Oberförster wollte er den wohl nur in Schwierigkeiten bringen, aber nicht seinen Tod – denn in aller Regel traten ja bei den Gefechten mit den Holzfrevlern zwar Verletzungen auf, aber es gab keine Toten.
Diesmal aber fühlt sich Friedrich in aller Öffentlichkeit herabgesetzt, auch wenn er selbst daran schuld ist – und bald gibt es einen zweiten Toten – und diesmal muss Friedrich verschwinden.
Der Eklat auf der Hochzeitsfeier
Zu dem Vorfall, der Friedrichs Leben endgültig aus der Bahn wirft, kommt es vier Jahre nach dem Tod des Oberförsters im Jahre 1760.
Es hat eine gute Ernte gegeben, alle sind zufrieden und ein Paar heiratet.
36/37: „Friedrich stolzierte umher wie ein Hahn, im neuen himmelblauen Rock, und machte sein Recht als erster Elegant geltend. Als auch die Gutsherrschaft anlangte, saß er gerade hinter der Baßgeige und strich die tiefste Saite mit großer Kraft und vielem Anstand.“
Kurz darauf: Ein beliebter Tanz „ward gespielt und Friedrich machte Sätze vor den Augen seiner Herrschaft, daß die Kühe an der Tenne die Hörner zurückzogen und Kettengeklirr und Gebrumm an ihren Ständern herlief. Fußhoch über die andern tauchte sein blonder Kopf auf und nieder, wie ein Hecht, der sich im Wasser überschlägt; an allen Enden schrien Mädchen auf, denen er zum Zeichen der Huldigung mit einer raschen Kopfbewegung sein langes Flachshaar ins Gesicht schleuderte.“
Dann kommt es zu einer ersten Peinlichkeit, als Johannes dabei erwischt wird, wie ihm gestohlene Butter aus aus der Tasche fließt.
Noch kann Friedrich die Sache regeln, indem er vortritt und den Übeltäter „Lumpenhund“ nennt:
„ein paar derbe Maulschellen trafen den geduldigen Schützling; dann stieß er ihn an die Tür und gab ihm einen tüchtigen Fußtritt mit auf den Weg.“
Dann aber wird Friedrich seine Vorstellung von Ehre und Ansehen zum Verhängnis:
„Er kehrte niedergeschlagen zurück; seine Würde war verletzt, das allgemeine Gelächter schnitt ihm durch die Seele,
ob er sich gleich durch einen tapfern Juchheschrei wieder in den Gang zu bringen suchte – es wollte nicht mehr recht gehen. Er war im Begriff, sich wieder hinter die Baßviole zu flüchten;
doch zuvor noch ein Knalleffekt: er zog seine silberne Taschenuhr hervor, zu jener Zeit ein seltener und kostbarer Schmuck. ‚Es ist bald zehn,‘ sagte er. ‚Jetzt den Brautmenuett! Ich will Musik machen.‘
‚Eine prächtige Uhr!‘ sagte der Schweinehirt und schob sein Gesicht in ehrfurchtsvoller Neugier vor. –
‚Was hat sie gekostet?‘ rief Wilm Hülsmeyer, Friedrichs Nebenbuhler. –
‚Willst du sie bezahlen?’“ fragte Friedrich. –
‚Hast du sie bezahlt?‘ antwortete Wilm. Friedrich warf einen stolzen Blick auf ihn und griff in schweigender Majestät zum Fidelbogen. –
‚Nun, nun,‘ sagte Hülsmeyer, „dergleichen hat man schon erlebt. Du weißt wohl, der Franz Ebel hatte auch eine schöne Uhr, bis der Jude Aaron sie ihm wieder abnahm.‘
Friedrich antwortete nicht, sondern winkte stolz der ersten Violine, und sie begannen aus Leibeskräften zu streichen.“
Noch größere Demütigung für Friedrich und sein Abgang
39/40: Kurzes Zwischenspiel: Die arme Braut wird geschmückt und muss sich in ihr Schicksal fügen.
39: Als sie wieder in den Tanzsaal zurückkehrt, ist Friedrich nicht mehr da. Was passiert ist, wird rückblickend berichtet:
„Eine große, unerträgliche Schmach hatte ihn getroffen, da der Jude Aaron, ein Schlächter und gelegentlicher Althändler aus dem nächsten Städtchen, plötzlich erschienen war, und nach einem kurzen, unbefriedigenden Zwiegespräch ihn laut vor allen Leuten um den Betrag von zehn Talern für eine schon um Ostern gelieferte Uhr gemahnt hatte.#
Friedrich war wie vernichtet fortgegangen und der Jude ihm gefolgt, immer schreiend: ‚O weh mir! Warum hab‘ ich nicht gehört auf vernünftige Leute! Haben sie mir nicht hundertmal gesagt, Ihr hättet all Eur Gut am Leibe und kein Brod im Schranke!‘ –
Die Tenne tobte von Gelächter; manche hatten sich auf den Hof nachgedrängt. – ‚Packt den Juden! Wiegt ihn gegen ein Schwein!‘ riefen einige; andere waren ernst geworden. –
‚Der Friedrich sah so blaß aus wie ein Tuch,‘ sagte eine alte Frau, und die Menge teilte sich, wie der Wagen des Gutsherrn in den Hof lenkte.“
40: Als der Gutsherr nach Hause kommt, gibt es einen ersten Hinweis von seinen Knechten, die das Gespenst von Friedrichs Vater angeblich gehört haben.
40/41: Drei Tage später gibt es einen ziemlichen Sturm und dann taucht die Frau des Juden Aaron auf, die ihren Mann erschlagen aufgefunden hat.
Man hat dann gleich Friedrich im Verdacht – aber der ist rechtzeitig verschwunden, zusammen mit seinem Johannes.
Der Gutsherr findet allerdings bei der Hausdurchsuchung Papiere, die einen Kontakt mit den Blaukitteln nachweisen könnten.
45/46: Dieser Teil der Geschichte endet dann damit, dass viele andere Juden zusammenkommen, um die Buche zu kaufen, unter der Aaron tot aufgefunden worden ist. Sie bringen dort ein Schild an, auf dem in hebräischer Sprache und Schrift steht: „Wenn du dich diesem Orte näherst, so wird es dir ergehen, wie du mir getan hast.“
Hinzu kommt dann noch eine Bemerkung des Gutsherrn, dass er die Information bekommen hat, dass ein anderer den Mord an einem Aaron zugegeben hat, bevor er sich erhängt hat. So bleibt offen, ob er der Täter ist. Der Gutsherr will das aber gerne glauben und kümmert sich später ja auch um Friedrichs Mutter.
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