Droste-Hülshoff, Annette, „Das Spiegelbild“

Unser Verfahren der „sicheren“ Interpretation

Im Folgenden verwenden wir wieder eine Kombination aus induktivem und hermeneutischem Verfahren.
Induktiv                = Zeile für Zeile Verständnis aufbauend
Hermeneutisch = immer wieder wird der aktuelle Verständnisstand korrigiert, nachjustiert.

Unsere Arbeit am Gedicht – was man sich so notiert

Wir haben unsere handschriftliche Bearbeitung hier eingefügt, weil man dort gut sehen kann, wie Teile des Gedichtes, die weit auseinanderstehen, trotzdem zusammengehören.

  • Zum Beispiel das, was zu den Augen gesagt wird: 02/18
  • Oder die zweifache Verwendung des „dennoch“ (11/36)
  • Oder „Herrscherthron“, „Knechte“ und „schüchtern“ (15/17)
  • Was wir später geändert haben, ist der angebliche Konditionalsatz in der ersten Strophe – später hat sich herausgestellt, dass man das besser temporal versteht.
  • Und was die Rhythmus-Störung angeht, so müsste bei „Gnade“ eigentlich die erste Silbe betont werden, für den Jambus muss es aber die 2. sein. Das glättet sich aber in der Regel im Vortrag.
  • Auf jeden Fall können wir nur jeden ermutigen, das induktive und das hermeneutische Verfahren auch so handschriftlich sichtbar zu machen, bevor man mit der Niederschrift der Interpretation beginnt.

Verständnisaufbau – Zeile für Zeile mit Zwischenergebnissen

Annette von Droste-Hülshoff

Das Spiegelbild

Strophe 1: erster Eindruck bei der Begegnung

01 Schaust du mich an aus dem Kristall,
02 Mit deiner Augen Nebelball,
03 Kometen gleich die im Verbleichen;
04 Mit Zügen, worin wunderlich
05 Zwei Seelen wie Spione sich
06 Umschleichen, ja, dann flüstre ich:
07 Phantom, du bist nicht meinesgleichen!

    • Vierhebiger Jambus, der nur in Zeile 34 vorne etwas gestört ist.
    • Ausgangspunkt: Anrede an das eigene Spiegelbild im Stil eines Temporalsatzes: „Dann, wenn …“
    • Vergleich der Augen mit einem „Nebelball“, also unklar, was zur Folgezeile passt: Kometen ziehen schnell vorbei – auch „Verbleichen“ passt dazu.
    • Dann geht es um die Gesichtszüge, in denen das Lyrische Ich „Zwei Seelen“ zu sehen meint, die sich wie „Spione“ „Umschleichen“.
    • Die letzten beiden Zeilen präsentieren das Ergebnis dieser Situation, die Feststellung des Unterschiedes, der Nicht-Gleichheit.
    • Insgesamt 1. Verständnis-Stand: Das Spiegel-Gegenüber wird als zweite Person wahrgenommen, das sich unklar und beunruhigend präsentiert. Am Ende eine Abwehrhaltung.

2. Strophe: Veränderung hin zu halber Aneignung

08 Bist nur entschlüpft der Träume Hut,
09 Zu eisen mir das warme Blut,
10 Die dunkle Locke mir zu blassen;
11 Und dennoch, dämmerndes Gesicht,
12 Drin seltsam spielt ein Doppellicht,
13 Trätest du vor, ich weiß es nicht,
14 Würd‘ ich dich lieben oder hassen?

    • Das Lyrische Ich verstärkt die distanzierende Abwehr, indem es das Spiegelbild zu einer Art Traum macht.
    • Es unterstellt ihm eine negative Wirkung („eisen“ und „blassen“).
    • Dann der „dennoch“-Wechsel: Jetzt erkennt das Lyrische Ich ein ein „dämmerndes“ (Morgendämmerung?) Gesicht und sieht ein „Doppellicht“.
    • Es folgt ein Konditionalsatz: Wenn dieses scheinbare Phantom auf das Lyrische Ich zugehen würde, weiß es nicht, ob es „lieben oder hassen“ sollte.
    • Insgesamt 2. Verständnis-Stand:
      Das Lyrische Ich schwankt zwischen Abwehr und halber Bereitschaft zur Anerkennung / Aneignung.

3. Strophe: erneute Distanzierung angesichts der kalten Augen

15 Zu deiner Stirne Herrscherthron,
16 Wo die Gedanken leisten Fron
17 Wie Knechte, würd‘ ich schüchtern blicken;
18 Doch von des Auges kaltem Glast,
19 Voll toten Lichts, gebrochen fast,
20 Gespenstig, würd‘, ein scheuer Gast,
21 Weit, weit ich meinen Schemel rücken.

    • Das Lyrische Ich schaut sich jetzt das Gesicht im Spiegel genauer an.
    • Es beginnt mit der Stirn als dem Ort des Verstandes – interessant die negative Sicht der „Fron“-Arbeit bei den Gedanken.
    • Demgegenüber ist seine Haltung „schüchtern“.
    • Probleme hat es mit dem kalten Glanz der Augen, wo es nur totes Licht sieht. Das ist wieder eine Rückkehr zur Sicht der 1. Strophe.
    • Am Ende steht erneute Distanzierung aus Angst heraus.
    • Insgesamt 3. Verständnis-Stand:
      Die Eindrücke und das Verhältnis wechseln ständig, hier wieder Ablehnung, vor allem wegen der Augen. Demgegenüber tritt die Verstandeswelt der Stirn zurück.

4. Strophe: Erneuter Wechsel vom Positiven zum Negativen

22 Und was den Mund umspielt so lind,
23 So weich und hülflos wie ein Kind,
24 Das möcht‘ in treue Hut ich bergen;
25 Und wieder, wenn er höhnend spielt,
26 Wie von gespanntem Bogen zielt,
27 Wenn leis‘ es durch die Züge wühlt,
28 Dann möcht‘ ich fliehen wie vor Schergen.

    • Als nächstes geht es um die Mundpartie, die erst mal positiv wahrgenommen wird, sogar als hilfebedürftig.
    • Auch hier wieder ein Wechsel ins Höhnische, Aggressive mit entsprechender Reaktion des Lyrischen Ichs.
    • Insgesamt 4. Verständnis-Stand:
      Neu ist der Eindruck der Hilflosigkeit beim Gegenüber, der aber auch wieder ins Gegenteil verkehrt wird. Eindruck ständigen Wechsels.

5. Strophe: Eine Art Vergöttlichung des eigenen Spiegelbildes

29 Es ist gewiss, du bist nicht ich,
30 Ein fremdes Dasein, dem ich mich
31 Wie Moses nahe, unbeschuhet,
32 Voll Kräfte die mir nicht bewusst,
33 Voll fremden Leides, fremder Lust;
34 Gnade mir Gott, wenn in der Brust
35 Mir schlummernd deine Seele ruhet!

    • Versuch der Selbstvergewisserung der Nicht-Identität
    • Rückgriff auf eine Stelle aus der Bibel, wo der Prophet Moses sich dem Heiligen ohne Schuhe nähern soll (2. Mose 3, 4-5).
    • Das Gegenüber wird hier immer größer, heiliger, fast göttlich.
    • Das Lyrische Ich erkennt dort fremde Erlebnisse positiver und negativer Art, die es nicht in sich selbst entdecken möchte.
    • Insgesamt 5. Verständnis-Stand:
      Zum ständigen Wechsel kommt jetzt eine Art heilige Scheu vor dem eigenen Spiegelbild, in dem das Lyrische Ich vieles ahnt, wovor es Angst hat.

6. Strophe: Wendung ins Positive: Bereitschaft zur Begegnung mit Weinen

36 Und dennoch fühl‘ ich, wie verwandt,
37 Zu deinen Schauern mich gebannt,
38 Und Liebe muss der Furcht sich einen.
39 Ja, trätest aus Kristalles Rund,
40 Phantom, du lebend auf den Grund,
41 Nur leise zittern würd‘ ich, und
42 Mich dünkt – ich würde um dich weinen!

    • Ein erneutes „dennoch“: Das Lyrische Ich erkennt ein Gefühl der Verwandtschaft an – gerade in den „Schauern“, die es eben erahnt hat.
    • Es möchte die „Furcht“ mit der „Liebe“ verbinden.
    • Am Ende ist es sogar zu einer Begegnung mit dem Spiegel-Gegenüber bereit. Dabei wird eine doppelte Reaktion angenommen: Zittern und ein „um dich weinen“. Was dafür der Grund ist, bleibt offen und lässt sich wohl nur auf der Sinn-Ebene erschließen.

Bestimmung der Aussagen des Gedichtes (Intentionalität)

Das Gedicht zeigt:

  1. sehr vielschichtige Eindrücke und Reaktionen bei der Betrachtung des eigenen Spiegelbildes.
  2. Es beginnt mit Unklarheit und Irritation, was zur Ablehnung eines Doppelbildes.
  3. Versuch der Verdrängung in die Traumwelt, was eher in Richtung Albtraum geht.
  4. Dann aber auch erstmals Unklarheit, ob das Lyrische Ich „lieben oder hassen“ muss/kann.
  5. Genauere Betrachtung von der Stirn, über die Augen bis hin zum Mund produziert wieder sehr unterschiedliche Eindrücke, die insgesamt eher negativ sind und beim positiven Ansatz einer gewissen kindlichen Hilflosigkeit gleich wieder ins Negative gewendet werden.
  6. Ab der 5. Strophe wechselt die Sicht auf das Spiegelbild vom Gespenstischen zum Geheimnisvoll-Göttlichen, vor dem man nicht nur negativ erschauert.
  7. Dementsprechend steht am Ende die Bereitschaft, dieses Phantom mit seinen Perspektiven in eine andere Welt der Möglichkeiten anzunehmen, wenn auch zitternd und mit der Bereitschaft zu weinen.
  8. Dieses „weinen“ lässt sich aus dem Gedicht selbst heraus nicht sicher verstehen. Wir verstehen das so, dass das Lyrische Ich über das Spiegelbild auf ganz neue Sichtweisen auf sich selbst und das Leben gekommen ist. Die sind durchaus beunruhigend, werden aber als zum Menschen bzw. zum Leben gehörend angenommen. Und diese tiefen Blicke in eine größere Wirklichkeit können nur mit „zittern“ und „weinen“ ertragen werden. Darunter ist aber keine Trauer zu verstehen, sondern eine tiefe gefühlsmäßige Reaktion. Schließlich kann auch jemand weinen, der gerade tief bewegt ist.

Künstlerische Mittel

Wie immer zählen wir hier nicht einfach auf, was sich alles so finden lässt, sondern versuchen die „strategischen“ Mittel zu finden, die die Wirkung des Gedichtes ausmacht. Da lässt sich folgendes feststellen:

  1. Die direkte Anrede spielt eine Rolle – die wird bis zum Ende durchgezogen. Interessant ist der Verzicht darauf in der 4. Strophe: Das entspricht dem Fluchtgedanken in Zeile 28.
  2. Dann spielt der Konjunktiv eine Rolle (13, 17, 20, 39), was deutlich macht, wie sehr es sich um Kopfgeburten des Lyrischen Ichs handelt.
  3. Bilder des Unklaren („Nebelball“, 2, „Verbleichen“, 03) spielen eine Rolle; außerdem solche der negativen Einwirkung (09, 10) mit der Konnotation des Alterns oder gar des Todes. Dazu auch „dämmerndes Gesicht“, (11). Vergleiche „des Auges kaltem Glast“, „Voll toten Lichts“ (18,19).
  4. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch das Neben- und Gegeneinander: „zwei Seelen“ (05), „Doppellicht“ (12), „lieber oder hassen“ (14), „Liebe“ und „Furcht“, (38), „Voll fremden Leides, fremder Lust“, (33)
  5. Dann die Anspielung auf die Moses-Geschichte und die damit verbundene Vorstellung vom Heiligen (31), verbunden mit „Schauern“ (37) und „zittern“ (41). Dazu passt auch „Gnade mir Gott“, (34).

Weiterführende Hinweise

Küchenmeister, Nadja, „phönix“

Im Folgenden zeigen wir, wie man ein sehr interessantes, aber auch schwieriges Gedicht „knacken“ kann, indem man

  1. mit Hilfe der induktiven Methode nach und nach Verständnis aufbaut
    (mit der induktiven Methode ist gemeint, dass man immer vom Text ausgeht und nicht von einer vorgefassten Meinung!)
    und
  2. mit Hilfe des sogenannten „hermeneutischen Zirkels“ (wird unten erklärt) immer wieder überprüft, ob der aktuelle Verständnisstand wirklich auch zu den weiteren Signalen des Textes passt.
    Kleine Anmerkung: Mit dem „hermeneutischen Zirkel“ ist nichts anderes gemeint, als dass man selbst als die interpretierende Person immer wieder eine Art Kreislauf zum Text hin macht.
    Mit dessen Hilfe hat man ein bestimmtes Verständnis erreicht
    und das überprüft man, indem man es an anderen Textstellen auf den Prüfstand stellt.

Induktives und hermeneutisches Vorgehen

  1. Das erste Signal des Textes ist die Überschrift. Beim Phönix muss man entweder auf ein gewisses Bildungswesen zurückgreifen oder aber in einem Lexikon nachschlagen.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Ph%C3%B6nix_(Mythologie)
    Es geht um einen Vogel aus der Sagenwelt, der immer wieder verbrennt und aus der Asche wieder entsteht.
    Jetzt muss man schauen, was das Gedicht damit zu tun hat.
  2. Die erste Zeile des Gedichtes macht dann deutlich, dass es sich
    1. um einen Morgen handelt, den das Lyrische Ich als früh empfindet. Offensichtlich hat es nicht damit gerechnet, als es vielleicht aus dem Schlaf erwacht ist.
      Achtung: Hier versuchen wir schon zu verstehen, was da los ist – dabei gehen wir zum Teil über den Text hinaus und müssen dann schauen, ob das auch zum Rest des Gedichtes passt.
    2. Außerdem macht der Satz Sinn, wenn man davon ausgeht, dass das Lyrische Ich aufgewacht ist und jetzt erstmals aus dem Fenster hinausschaut.
  3. Die Zeilen 2 bis 5 nehmen wir als Einheit:
    1. Wir erfahren erstmals etwas über die angeredete Person, nämlich dass sie „scheu“ ist, also zurückhaltend, vorsichtig, vielleicht nicht viel von sich hält.
    2. Dann ist von Fotos die Rede, die das Lyrische Ich am Abend auf die Kommode gelegt hat – und zwar umgedreht, was (Achtung: Verbindung von Signalen) zu „scheu“ passt. Wir verstehen das erst mal so, dass das angeredete Gegenüber offensichtlich diese Bilder nicht sehen wollte.
  4. Den Rest der der ersten Strophe müssen wir wohl mit dem Anfang der zweiten verbinden:
    1. Das Lyrische Ich konzentriert sich jetzt auf den „Nacken“ des anscheinend noch schlafenden Partners – sonst gäbe es ja irgendeine Reaktion von dem.
      „wieder da sind“ deutet an, dass jetzt noch mehr kommt – eben durch das Wachsein in den Blick gerät.
    2. Das „lieber“ kann als Anrede verstanden werden, um die Beziehung zu verdeutlichen.
  5. Zweite Strophe:
    1. Anschließend gleitet der Blick weiter auf die Hände und nimmt dort „die blaue ader“ als etwas wahr, was seit „jeher“, also sind sie schon lange zusammen, dort ist.
    2. Im Auge behalten könnte man, dass für diese körperliche Eigentümlichkeit ein Bild aus der Natur verwendet wird.
  6. Dann hört die Betrachtung auf und es setzt die Überlegung ein.
    1. Das Lyrische Ich nimmt die Situation, dass nicht nur sein Partner, sondern auch „alle bilder“, die zum Wachsein gehören, schlafen
    2. und es nicht mehr viel Zeit hat („in den morgen ebben“)
    3. zum Anlass,
  7. Dritte Strophe:
    1. zwei Situationen anzunehmen, die anscheinend normalerweise nicht gegeben sind:
      1. Nämlich „ruhe“
      2. und das „verlorensein“, das oben zu „scheu“ passt und zur Notwendigkeit, bestimmte Fotos umzudrehen.
      3. Das verstehen wir so, dass der Partner des Lyrischen Ichs Probleme hat, mit sich, seinem (vielleicht alten) Körper oder auch mit Bildern, die er in sich trägt.
      4. Das nutzt das Lyrische Ich
        1. um „der flamme gleich die Luft“ zu „verzehren“, also aufzuleben,
        2. diese „stille“ nutzen (wo all die Probleme noch nicht wach sind)
        3. und in sich aufsaugen, um daraus vielleicht Lebensmut zu saugen.

Zusammenfassung der Signale zu Aussagen

Wenn man sich ein vorläufig abschließendes Verständnis erarbeitet hat, versucht man es, zu einer „Intentionalität“ zusammenzufassen.
Gemeint ist damit die Frage, worauf das Gedicht „hinausläuft“, was es zeigt:
Versuchen wir mal, das differenziert, also in mehreren Aussagen zu formulieren.
Am besten setzt man einfach den folgenden Satz (in verschiedenen Varianten) fort:

Das Gedicht zeigt:

  1. eine besondere Situation zwischen zwei Partnern,
  2. in der der wache für kurze Zeit Gelegenheit hat,
  3. das noch schlafende Gegenüber in Ruhe wahrzunehmen
  4. und dabei gewissermaßen aufzuleben,
  5. während es im Wachzustand anscheinend Probleme hat,
  6. „scheu“ ist, sich aber auch vor Fotos und anderen Bildern scheut,
  7. keine Ruhe findet und
  8. sich verloren fühlt.

Künstlerische Unterstützung der Aussagen

Unterstützt werden die Aussagen des Gedichtes durch

  1. durch den Rückgriff auf den Mythos vom Phönix, der genau passt zu dieser besonderen Situation der Ruhe der Nacht und der Probleme beim Wachsein.
    Man kann das gegenläufig interpretieren:

    1. Der Schlaf entspricht der Asche, die Auferstehung dann den Problemen des Tages
    2. Oder aber man geht von der Liebe aus, dann ist der Morgen genau der lebende Liebesvogel, während die Probleme des Tages ihn wieder zu Asche werden lassen.
  2. Die Symbole der Fotos und der inneren Bilder, die offensichtlich für das stehen, worunter der Partner leidet.
  3. Die Konzentration auf bestimmte Körperteile, die bei dem schlafenden Menschen für sein Wesen stehen. Möglicherweise deutet die „blaue ader“ auch daraufhin, dass es sich um einen alten Menschen handelt, möglicherweise sogar jemanden, der pflegebedürftig ist. Das ist natürlich eine reine Hypothese.
  4. Dann das in einen Neologismus gefasste Bild „ebben“, das deutlich macht, dass diese Ruhe der Nacht verschwindet wie das zurückgehende Meer.
  5. Der Konjunktiv in der dritten Strophe, der deutlich macht, dass hier viel Fantasie nötig ist, um die Probleme zu vergessen und diesen Moment der Ruhe zu genießen.
  6. Das Bild der Flamme, das erstens zum Phönix passt und ansonsten deutlich macht, dass der Morgen einen intensiven Moment der Ruhe und des Friedens bereithält, der aber eben auch verbraucht wird, aber auch für einige Zeit wieder Leben spendet.
  7. Am Ende die Vorstellung der Verwandlung, was wiederum zum Konjunktiv passt: Dieses Lyrische Ich verfügt über die Fähigkeit, aus einem Fast-Nichts etwas Positives zu machen und daraus Kraft zu gewinnen.

Zu den Grenzen der induktiven Interpretation

Wir haben uns hier um eine Interpretation bemüht, die ganz „naiv“ ist, im positiven Sinne. Also keine besonderen Kenntnisse zur Verfasserin, keine Nutzung anderer Interpretationen – einfach nur „einlassen“ auf den Text, die Worte hin und her wenden und im Rahmen des Möglichen mit Sinn füllen.

Natürlich können wir falsch liegen, aber das macht nichts, solange wir nah am Text geblieben sind.

Wir hoffen, dass wir damit allen Mut gemacht haben, die immer wieder gezwungen werden, sich mit solchen Texten in Prüfungen und Klausuren zu beschäftigen, statt sich wirklich „auf Augenhöhe“ zwischen Text und Interpret in Ruhe damit beschäftigen zu können.

Weiterführende Hinweise